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Erläuterungen
zu Artikel 47 der Verfassung

Bearbeitungsstand: Juli 2022

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Artikel 47
Beanstandung

Der Kirchenkreisrat hat einen Beschluss der Kirchenkreissynode innerhalb von zwei Wochen zu beanstanden, wenn er ihn für bekenntnis- oder rechtswidrig hält. Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Wenn und soweit die Kirchenkreissynode den beanstandeten Beschluss bestätigt, entscheidet die Kirchenleitung, in Bekenntnisfragen im Einvernehmen mit dem Bischofsrat.
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Grundinformationen

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I. Textgeschichte

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1. Veränderungen

Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
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2. Textentwicklung

Die Regelung war in seiner jetzigen Form als Artikel 46 bereits Bestandteil des ersten Verfassungsentwurfs (1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 27) und unverändert als Artikel 48 in dem Entwurf für die 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode enthalten (Drucksache 3/II, Seite 29). Einzige Abweichung war das Wort „so“ vor „entscheidet“ in Satz 2, dieses wurde erst im Entwurf für die 3. Tagung der Verfassunggebenden Synode gestrichen (Drucksache 4/III).
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3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung

„An der Entscheidung der Kirchenleitung über die wiederholte Beanstandung eines Beschlusses einer Kirchenkreissynode in Bekenntnisfragen wird der Bischofsrat beteiligt. Gegen diese Regelung in Artikel 46 wurde in den Beratungen eingewandt, dass die Bischöfinnen und Bischöfe auch in der Kirchenleitung vertreten sind und somit eine gesonderte Beteiligung in Form des Einvernehmens zwischen Kirchenleitung und Bischofsrat nicht erforderlich sei.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 79)
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4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)

In der AG Verfassung wurde am 13. April 2010 darüber abgestimmt, ob es grundsätzlich ein Beanstandungsrecht des Kirchenkreisrates gegenüber den Beschlüssen der Kirchenkreissynode geben sollte. Die AG entschied sich dafür, auch weil von der Kirchenkreissynode spontane Beschlüsse gefasst werden können, die dann noch einmal auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden können. Möglich sein sollte die Beanstandung wegen einer Rechtswidrigkeit und wegen eines Bekenntnisverstoßes eines Beschlusses, so ein weiterer Beschluss der AG. Keine Mehrheit allerdings fand sich für ein Beanstandungsrecht für Beschlüsse, die aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll sind.
Die erste Fassung vom 2. Juni 2010 lautete:
„Artikel 46: Beanstandung
Der Kirchenkreisrat hat einen Beschluss der Kirchenkreissynode innerhalb von zwei Wochen zu beanstanden, wenn er ihn für rechtswidrig hält. Rechtswidrig ist ein Beschluss auch dann, wenn er gegen das Bekenntnis verstößt. Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Wenn und soweit die Kirchenkreissynode den beanstandeten Beschluss bestätigt, so entscheidet die Kirchenleitung.“
Analog zu dem damaligen Artikel 26 wurde von der AG Verfassung in der Sitzung vom 4. und 5. Juni 2010 entschieden, die Formulierung „bekenntnis- oder rechtswidrig“ aufzunehmen und Satz 2 zu streichen.
Von der AG Theologie kam der Vorschlag, die endgültige Entscheidung über die Bekenntnisgemäßheit oder Bekenntniswidrigkeit eines Beschlusses im Einvernehmen mit dem Bischofsrat zu treffen. Zwar seien die Bischöfe Mitglieder der Kirchenleitung, allerdings könnten sie dort überstimmt werden. Daher sollte in Bekenntnisfragen das Einvernehmen mit ihnen gesucht werden. Diesen Vorschlag nahm die Steuerungsgruppe am 3. September 2010 auf.
Der Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf sprach sich in seiner Stellungnahme aus dem Juni 2011 dafür aus, den Teil „bekenntnis- oder“ zu streichen.
Auf Anregung des Rechtsdezernats wurde im Sinne der Vereinheitlichung der Formulierungen in der Verfassung für die 3. Lesung des Rechtsausschusses im November 2011 das Wort „so“ vor „entscheidet“ gestrichen. Außerdem sollte in der gesamten Verfassung die Formulierung „wenn und soweit“ durch „soweit“ ersetzt werden, wo dies möglich war. Im Falle von Artikel 47 erfolgte keine Änderung.
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II. Vorgängervorschriften

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1. Verfassung der NEK

Artikel 36 Verfassung NEK:
Der Kirchenkreisvorstand hat einen Beschluss der Kirchenkreissynode zu beanstanden, wenn er ihn für rechtswidrig hält. Das Gleiche gilt gegenüber einem Beschluss des Kirchenkreisvorstandes für dessen vorsitzendes Mitglied. Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Heben die Kirchenkreissynode oder der Kirchenkreisvorstand ihren Beschluss nicht auf, so entscheidet die Kirchenleitung.
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2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK

Das Verfassungsrecht der ELLM und der PEK enthielt keine Regelungen zu Beanstandungen von Beschlüssen durch den Kirchenkreisvorstand.
Artikel 135 Kirchenordnung PEK bestimmte aber:
(1) Die Kirchenleitung hat Beschlüsse der Gemeindekirchenräte, der Kreissynode und ihrer Ausschüsse, der Kreiskirchenräte sowie der Leitungsorgane landeskirchlicher Einrichtungen außer Kraft zu setzen, wenn sie mit Schrift und Bekenntnis nicht vereinbar sind und die dadurch für das kirchliche Leben entstehende Gefahr auf andere Weise nicht zu beheben ist. Bis zur Entscheidung in der Sache ist der Beschluss nicht auszuführen. Die Körperschaft, deren Beschluss außer Kraft gesetzt wird, kann eine nochmalige Prüfung und Entscheidung verlangen, die nicht früher als zwei Monate nach der ersten erfolgen darf.
(2) Beschlüsse der in Absatz 1 genannten Körperschaften, die das Recht verletzen oder die einheitliche Finanzwirtschaft der Kirche gefährden, setzt das Konsistorium außer Kraft. Hiergegen ist innerhalb eines Monates die Beschwerde an die Kirchenleitung zulässig.
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3. Grundsätze zum Fusionsvertrag

Die Grundsätze zum Fusionsvertrag enthalten keine Ausführungen zum Thema Beanstandung.
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III. Ergänzende Vorschriften

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1. Normen mit Verfassungsrang

Der Bischofsrat entscheidet mit der Mehrheit seiner Mitglieder über eine Beanstandung (Artikel 100 Absatz 3).
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2. Satzungen (der Kirchenkreise etc.)

Beanstandungsbeschlüsse gemäß Artikel 47 der Verfassung dürfen als wichtige Leitungsentscheidung nicht dem Verwaltungsausschuss übertragen werden, sondern müssen – wie in der Verfassung vorgesehen – dem Kirchenkreisrat vorbehalten werden (so z. B. § 9 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nr. 13 Kirchenkreissatzung des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Dithmarschen vom 3. September 2014).
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IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich

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1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen

Das Recht bzw. die Pflicht zur Beanstandung eines bekenntnis- oder rechtswidrigen Beschlusses findet sich auf den verschiedenen Ebenen der Nordkirche jeweils wieder.
Artikel 27 regelt den Fall eines bekenntnis- oder rechtswidrigen Beschlusses des Kirchengemeinderates. Diesen zu beanstanden ist Pflicht sowohl des vorsitzenden bzw. des stellvertretenden vorsitzenden Mitglieds (Absatz 1 Satz 1) als auch des Kirchenkreisrates (Absatz 2 Satz 1). Die Beanstandung hat in beiden Fällen aufschiebende Wirkung; im Falle der Bestätigung des beanstandeten Beschlusses durch den Kirchengemeinderat entscheidet der Kirchenkreisrat bzw. das Landeskirchenamt, in Bekenntnisfragen im Einvernehmen mit dem Bischofsrat.
Ein bekenntnis- oder rechtswidriger Beschluss des Kirchenkreisrates wiederum ist gemäß Artikel 55 vom vorsitzenden als auch vom stellvertretenden vorsitzenden Mitglied zu beanstanden. Die Beanstandung hat auch in diesem Fall aufschiebende Wirkung. Bei Bestätigung des Beschlusses entscheidet die Kirchenleitung, in Bekenntnisfragen auch hier im Einvernehmen mit dem Bischofsrat.
Für Beschlüsse der Landessynode hat gemäß Artikel 79 eine Beanstandung entweder durch die Kirchenleitung oder durch den Bischofsrat zu erfolgen.
Artikel 87 regelt den Fall eines bekenntnis- oder rechtswidrigen Beschlusses der Kirchenleitung, welcher durch das vorsitzende Mitglied zu beanstanden ist. Bestätigt die Kirchenleitung den beanstandeten Beschluss, wird er wirksam. In Bekenntnisfragen ist auch hier das Einvernehmen mit dem Bischofsrat herzustellen.
In Artikel 100 Absatz 3 finden sich die Regelungen für die Vorgehensweise des Bischofsrats bei der Entscheidung über das Einvernehmen bzw. die Beanstandung.
Artikel 109 regelt die Beanstandung eines Beschlusses des Kollegiums oder eines hauptamtlichen Mitglieds des Kollegiums des Landeskirchenamtes.
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2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)

Artikel 82 EKBO regelt die „Aufsicht über die Kirchengemeinden und Kirchenkreise“
(1) Die Kirchenleitung hat Beschlüsse der Gemeindekirchenräte, der Kreissynoden und der Kreiskirchenräte außer Kraft zu setzen, wenn sie mit Schrift und Bekenntnis nicht vereinbar sind. Das Organ ist vorher zu hören. Handelt es sich um Beschlüsse reformierter Organe, entscheidet anstelle der Kirchenleitung das Evangelisch-reformierte Moderamen.
(2) Das Organ, dessen Beschluss außer Kraft gesetzt wird, kann eine nochmalige Prüfung und Entscheidung verlangen, die nicht früher als zwei Monate nach der ersten erfolgen darf. Hält die Kirchenleitung ihre Entscheidung aufrecht, so ist ein Einspruch bei der Landessynode zulässig. Das Verlangen nach nochmaliger Prüfung und Entscheidung und der Einspruch haben keine aufschiebende Wirkung.
In der Kirchenverfassung der EKM regelt Artikel 48 Absatz 2 das Beanstandungsrecht als eine Aufgabe des Superintendenten:
Der Superintendent hat die Pflicht, Beschlüsse der Kreissynode und des Kreiskirchenrates, die nach seiner Einschätzung gegen Schrift und Bekenntnis oder die kirchliche Ordnung verstoßen, zu beanstanden. Bleibt die Kreissynode oder der Kreiskirchenrat bei dem Beschluss, so hat der Superintendent unverzüglich den Regionalbischof und das Landeskirchenamt zu unterrichten. Die Ausführung des Beschlusses ist bis zur Entscheidung des Landeskirchenamtes ausgesetzt.“
In der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Kirchenverfassung Hannover gibt es keine Regelung über eine Beanstandung von Beschlüssen der Kirchenkreissynode. Artikel 18 Absatz 2 der vorherigen Verfassung („Die Aufsichtsbehörden können Beschlüsse und andere Maßnahmen von Organen der kirchlichen Körperschaften beanstanden, wenn sie rechtswidrig oder nicht sachgerecht sind. Beanstandete Maßnahmen dürfen nicht vollzogen, bereits getroffene Maßnahmen müssen auf Verlangen der Aufsichtsbehörden rückgängig gemacht werden.“) wurde nicht übernommen.
Artikel 33 über die Organe des Kirchenkreises lautet allgemein:
Die Kirchenkreissynode, der Kirchenkreisvorstand und die Superintendentin oder der Superintendent leiten den Kirchenkreis in arbeitsteiliger Gemeinschaft und gegenseitiger Verantwortung. Sie tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass Zeugnis und Dienst im Kirchenkreis gemäß dem Auftrag der Kirche geschehen und die Ordnung der Kirche beachtet wird.“
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3. Verweise auf staatliches Recht

Auch auf staatlicher Seite werden Beschlüsse auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft. So sieht beispielsweise § 38 der Kreisordnung für Schleswig-Holstein vor, dass die Landrätin oder der Landrat einem Beschluss des Kreistags, der das Recht verletzt, zu widersprechen hat.