.Erläuterungen
Artikel 40
Erläuterungen
zu Artikel 40 der Verfassung
Bearbeitungsstand: Juli 2023
####Artikel 40
Aufgabenübertragung und Auftragsverwaltung
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1 Kirchengemeinden und ihre Verbände können eine andere kirchliche Körperschaft durch Vertrag beauftragen, ihnen obliegende Aufgaben wahrzunehmen oder Verwaltungsgeschäfte zu erledigen, die dieser nicht bereits durch Kirchengesetz zur Erledigung zugewiesen sind. 2 Die Auftrag gebende Körperschaft bleibt Träger der Verwaltungsaufgaben und hat im Rahmen des geltenden Rechtes fachliche Weisungsbefugnis. 3 Die Auftrag nehmende Körperschaft kann die erforderlichen Regelungen mit Zustimmung der Auftrag gebenden Körperschaft auch durch Satzung treffen.
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1 Durch Kirchenkreissatzung kann dem jeweiligen Kirchenkreis die Erledigung von Verwaltungsgeschäften der Kirchengemeinden und ihrer Verbände, die ihm nicht bereits durch Kirchengesetz zur Erledigung zugewiesen sind, übertragen werden. 2 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
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Das Nähere wird durch Kirchengesetz geregelt.
#Grundinformationen
##I. Textgeschichte
#1. Veränderungen
Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
#2. Textentwicklung
Als Artikel 39 war die Vorschrift bereits im Entwurf der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode enthalten (Drucksache 5, Seite 23).
Im Entwurf der 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode verschob sich die Regelung in Artikel 41, war ansonsten aber unverändert (Drucksache 3/II, Seite 26).
#3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung
„Zur Erfüllung ihrer Aufgaben werden den Kirchengemeinden in den Artikeln 35 bis 39 verschiedene Formen der Zusammenarbeit auf der kirchengemeindlichen Ebene verfassungsrechtlich eröffnet, die von einer Vereinbarung der gemeinsamen Erfüllung einzelner Aufgaben bis zum vorgegebenen Zusammenschluss von Kirchengemeinden in Regionalverbänden reichen. Ausführlich beraten wurde die Ausgestaltung eines in der Kirchenkreissatzung geregelten Zusammenschlusses von Kirchengemeinden zur gemeinschaftlichen Erfüllung des kirchlichen Auftrages, der aus den guten Erfahrungen in den mecklenburgischen Propsteien entwickelt wurde. Die Regionalverbände sind, wie in der Gliederung der Verfassung erkennbar, auf der Ebene der Kirchengemeinden angesiedelt. Sie bilden also ausdrücklich keine „vierte Ebene“. Die Regionalversammlung beschließt über die Wahrnehmung kirchengemeindlicher Aufgaben und deren Finanzierung. Die Mindestumlage darf nicht mehr als 10 Prozent der Allgemeinen Gemeindezuweisung gemäß § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Finanzgesetzes (Teil 5 des Einführungsgesetzes) betragen. In Fortsetzung der Zusammenarbeitsform in der mecklenburgischen Propstei versammeln sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkündigungsdienst im Regionalkonvent, der auch der gemeinsamen theologischen Arbeit dient. Sofern im Kirchenkreis keine Regionalverbände gebildet werden, können die Kirchengemeinden sich zu Kirchengemeindeverbänden zusammenschließen.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 78)
#4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)
Der Entwurf für den damaligen Artikel 39 stand grundsätzlich bereits am 2. Juni 2010 fest, der einzige Unterschied bestand in den Wörtern „öffentlich-rechtlich“ vor Vertrag in Absatz 1 Satz 1. Es war noch fraglich, ob eine verfassungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die freiwillige und ebenüberschreitende Aufgabenübertragung und Auftragsverwaltung erforderlich sei.
In der Sitzung der AG Verfassung vom 4. und 5. Juni 2010 wurde die Auffassung vertreten, dass die Regelung das Kirchenkreisverwaltungsgesetz ausheble, so dass die Streichung beantragt wurde. Dies wurde mehrheitlich abgelehnt.
Im Rahmen der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode wurde beantragt (Antrag 117), Artikel 39 Absatz 2 zu streichen.
Im Rechtsausschuss wurde am 6. Mai 2011 der Regelungsgehalt, der letztlich wie der damalige Artikel 38 den Zwangsverband regele, hinterfragt. Vor diesem Hintergrund wurde Antrag 117 befürwortet. Darüber hinaus wurde diskutiert, was mit den „obliegenden Aufgaben“ in Absatz 1 Satz 1 gemeint sei; Ergebnis war, dass es sich nur um Verwaltungsaufgeben handeln könne. Für Absatz 2 Satz 1 wurde folgende Formulierung empfohlen: „Kirchengemeinden und ihre Verbände können eine andere kirchliche Körperschaft durch Vertrag beauftragen, ihnen obliegende Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen oder Verwaltungsgeschäfte zu erledigen.“ Weiterhin wurde diskutiert, ob die Aufgabenübertragung nur innerhalb des eigenen Kirchenkreises erlaubt sein sollte, ein entsprechender Antrag fand keine Mehrheit. Nach weiterer streitiger Diskussion wurde schließlich für Artikel 39 folgende Formulierung empfohlen:
- (1) Kirchengemeinden und ihre Verbände können eine andere kirchliche Körperschaft durch Vertrag beauftragen, ihnen obliegende Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen oder Verwaltungsgeschäfte zu erledigen. Die beauftragende Körperschaft bleibt Träger der Verwaltungsaufgaben und hat im Rahmen des geltenden Rechtes fachliche Weisungsbefugnis. Die beauftragte Körperschaft kann die erforderlichen Regelungen mit Zustimmung der beauftragenden Körperschaft auch durch Satzung treffen.
- (2) Das Nähere wird durch Kirchengesetz geregelt.
Das Nordelbische Kirchenamt sprach sich gegen Antrag 117 aus.
Der Rechtsausschuss wollte weiterhin die Streichung des Absatzes 2 erreichen. In den Kirchenkreisen der Nordkirche, die bisher eigenständige Landeskirchen gewesen seien und die Verwaltungsaufgaben der Kirchengemeinden landeskirchlich wahrgenommen hätten, müsse eine kirchengesetzliche Öffnung ermöglicht werden, die die Fortführung der bisherigen Verwaltungen bis zum Inkrafttreten des Kirchenkreisverwaltungsgesetzes der Nordkirche sicherstelle.
Der Kirchenkreis Altholstein sprach sich ebenfalls für die Streichung von Absatz 2 aus, da ein solcher Eingriff zu groß und zu schwerwiegend sei, um sie nur durch eine Kirchenkreissatzung zuzuweisen.
Der Kirchenkreis Dithmarschen war der Auffassung, dass die Aufgabenübertragung möglicherweise die Anlage 1 zum Kirchenkreisverwaltungsgesetz ausheble.
Unterstützung für den Antrag 117 kam aus den Kirchenkreisen Hamburg-Ost und Hamburg-West/Südholstein.
Der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg war der Auffassung, dass der damalige Artikel 39 ein unwirtschaftliches Monopol und dessen Unterhaltungszwang zentriere. Es sei sinnvoller, die Leistungen kirchlicher Körperschaften in Eigenbetrieben auszugliedern und im Rahmen des Marktes anzubieten. Durch Sitz und Stimme in den Leitungsgremien der Eigenbetriebe könne die kirchliche Aufsicht garantiert werden. Es müsse möglich sein, günstigere private Anbieter zu beauftragen, wenn die Leistungen identisch seien.
Auf Nachfrage des Rechtsdezernats im November 2011 wurde durch den Rechtsausschuss klargestellt, dass ausdrücklich keine Zustimmung des Kirchenkreisrats für die Aufgabenübertragung gewollt sei.
#II. Vorgängervorschriften
#1. Verfassung der NEK
Artikel 58 Verfassung NEK regelte in den Absätzen 1-3 die Auftragsverwaltung für Kirchengemeinden
#- (1) 1 Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbände können eine andere kirchliche Körperschaft auf der Grundlage eines Vertrages damit beauftragen, Verwaltungsgeschäfte zu erledigen, die dieser nicht bereits durch Kirchengesetz zur Erledigung zugewiesen sind. 2 Kirchenkreise und Kirchenkreisverbände können durch Vertrag die Verwaltung eines anderen Kirchenkreises oder eines Kirchenkreisverbandes mit der Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben beauftragen. 3 Die Auftrag gebende Körperschaft bleibt Träger der Verwaltungsaufgaben; sie kann fachliche Weisungen erteilen. 4 Im Vertrag sind Regelungen über die Vertragsaufhebung vorzusehen.
- (2) In dem Vertrag können der Auftrag gebenden Körperschaft weitergehende Rechte eingeräumt werden.
- (3) 1 Die Auftrag nehmende Körperschaft kann die nach Absatz 1 und 2 erforderlichen Regelungen auch allgemein durch Satzung treffen. 2 Sie werden Bestandteil des Vertrages, wenn die Auftrag gebende Körperschaft zustimmt.
2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK
Das Verfassungsrecht der ELLM und der PEK enthielt keine Vorschriften zur Auftragsverwaltung.
#3. Grundsätze zum Fusionsvertrag
Die Grundsätze bestimmen im Abschnitt „II.3 Zuschnitt und Zusammenarbeit“:
II.3.2 Regionale Zusammenschlüsse von Kirchengemeinden bilden Gestaltungsräume für das kirchengemeindliche Leben und stärken die Gemeinschaft der Mitarbeitenden.
II.3.3 Die Kirchenkreise werden ermächtigt, Regelungen für eine verbindliche Zusammenarbeit von Kirchengemeinden in regionalen Zusammenschlüssen zu treffen.
#III. Ergänzende Vorschriften
##1. Normen mit Verfassungsrang
Die Kirchengemeindeordnung benennt zwar in § 68 Absatz 2 die Auftragsverwaltung als verbindliche Formen der Zusammenarbeit von Kirchengemeinden, enthält dazu aber keine weiteren Regelungen.
#2. Einfache Kirchengesetze
Nach dem Kirchenkreisverwaltungsgesetz (§ 3) können die Kirchenkreisverwaltungen den Kirchengemeinden über die in dem „Pflichtleistungskatalog“ festgelegten Leistungen hinaus weitere Leistungen in allen Verwaltungsbereichen anbieten. Art und Umfang dieser freiwilligen Leistungen sowie die Höhe des zu entrichtenden Entgelts sind in einem Vertrag über die Auftragsverwaltung zwischen dem Kirchenkreis und der kirchlichen Körperschaft festzulegen.
#IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich
#1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen
Weitere Formen kirchengemeindlicher Zusammenarbeit sind in den Artikeln 36 und 37 (Aufgabengemeinschaft und -delegation) sowie in den Artikeln 38 und 39 (Kirchengemeindeverband und Kirchenregion) und geregelt.
Artikel 74 regelt die Auftragsverwaltung zwischen Kirchenkreisen.
Nach Artikel 20 Absatz 3 können Verwaltungsgeschäfte der Kirchengemeinden durch Kirchengesetz dem Kirchenkreis zur Erledigung im Auftrag zugewiesen werden.
#2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)
Gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Grundordnung EKBO können Aufgaben der Finanz- und sonstigen Verwaltung der Kirchengemeinde nach Maßgabe eines Kirchengesetzes einer übergemeindlichen Verwaltungseinrichtung übertragen werden.
Nach Artikel 22 Absatz 2 Kirchenverfassung EKM kann durch Kirchengesetz bestimmt werden, dass zweckgebundenes Vermögen der Kirchengemeinden durch den Kirchenkreis oder die Landeskirche bewirtschaftet wird.
Nach Artikel 30 Kirchenverfassung Hannover wird das Nähere über die Aufgaben der Kirchengemeinde und ihre Zusammenarbeit mit anderen Kirchengemeinden durch die Kirchengemeindeordnung und andere Kirchengesetze geregelt.