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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:09.09.2019
Aktenzeichen:NK-MG 8 1/2019 DWSH
Rechtsgrundlage:§ 40 Buchstabe i MVG-EKD
Vorinstanzen:nachfolgend: Kirchengerichtshof der EKD: KGH.EKD II-0124/58-2019
Schlagworte:
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Leitsatz:

1. Mitbestimmungspflichtig sind alle Maßnahmen, die objektiv darauf abzielen, die Effektivität der Arbeit in der vorgegebenen Zeit qualitativ oder quantitativ zu fördern, somit die Güte oder Menge der zu leistenden Arbeit zu erhöhen (KGH.EKD vom 24.05.2011, I-0124/S39-10).
2. Die Änderung der planerischen Vorgaben für die Dienstplangestaltung ist nicht final auf eine Hebung der Arbeitsleistung gerichtet. Die der Planung zu Grunde gelegte Nettosollarbeitszeit hat keine unmittelbare Auswirkung, insbesondere ist damit keine Änderung der zu erbringenden Arbeitsleistungen verbunden.

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob planerische Vorgaben der Beteiligten zu 2. eine Hebung der Arbeitsleistung im Sinne des MVG.EKD darstellen.
Die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2. ist eine Tochtergesellschaft der S 1. Sie betreibt Einrichtungen der stationären Altenhilfe. Die Antragstellerin ist die für diese Einrichtung gebildete Mitarbeitervertretung.
Die Beteiligte zu 2. – wie auch andere Schwestergesellschaften – ist mit Wirkung zum 01.11.2018 dazu übergegangen, eine geringere Nettoarbeitszeit bei der Planung des Personals zu berücksichtigen. Dies beruht auf einer Vorgabe der S 1. Die Vorgabe der so genannten Nettosollarbeitszeit für die im Rahmen der Dienstplanaufstellung zu berücksichtigenden Zeiten wurde danach von zuvor 80 % der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit eines Arbeitnehmers im Kalenderjahr auf 76,5 % herabgesetzt. Veränderungen der absolut eingesetzten Mitarbeiter und deren arbeitsvertraglichen Grundlagen einerseits und zu pflegenden Personen andererseits ging damit nicht einher.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass bei gleichbleibendem Beschäftigungsbedarf und einer gleichzeitigen Reduzierung der eingeplanten Arbeitsstunden nach dem Dienstplan von examinierte Fachkräften und Pflegehilfskräften ohne gleichzeitige Entlastung eine Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung vorliege. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten insbesondere nicht die Möglichkeit pflegerische oder andere Tätigkeiten weg zu lassen. Es handele sich dabei um eine nicht nur geringfügige, kurzfristige Hebung der Arbeitsleistung, die mitbestimmungspflichtig sei. Sie erstrecke sich über einen längeren Zeitraum und habe nicht nur z. B. kurzfristige Ausfälle wegen Krankheit und Urlaub im Blick. Sie löse daher das Mitbestimmungsrecht der MAV aus.
Da nicht erst bei erstmaliger Reduzierung im November 2018 das Mitbestimmungsrecht ausgelöst worden sei, sondern dies durch Fortführung der reduzierten Einsatzplanung über diesen Zeitpunkt hinauswirke, sei der mit Datum vom 15.01.2019 eingereichte Antrag fristgerecht im Sinne von § 61 Abs. 1 MVG. EKD.
Hinreichende Einigungsbemühungen habe die Antragstellerin durch Anwaltsschreiben vom 02.01.2019 mit dem Verlangen nach Aufhebung der Maßnahmen unternommen.
Soweit die Beteiligte zu 2. unterstelle, dass es in der Einrichtung bis Oktober 2018 Zeiten gegeben habe, in denen die Mitarbeiter nicht voll ausgelastet gewesen seien, so träfe dies nicht zu. Die Reduzierung der Einsatzstunden sei nicht kompensiert worden. Auch in der Vergangenheit sei stets nur so viel Personal vorgehalten worden, dass die anfallende Arbeit so gerade eben geleistet werden konnte. Da weder die Zahl der zu Pflegenden noch das Maß der Pflegebedürftigkeit sich wesentlich verändert hat, sei von einer Hebung der Arbeitsleistung auszugehen.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die Antragsgegnerin mit der Reduzierung des Personaleinsatzes der Pflege ab dem 01.11.2018 das Mitbestimmungsrecht der Antragsgegnerin verletzt und diese Maßnahme unwirksam ist.
Die Beteiligte zu 2.,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2. ist der Auffassung, dass eine Hebung der Arbeitsleistung im Sinne der mitbestimmungsrechtlichen Grundlagen gemäß § 40 Buchst. i) MVG.EKD bereits deshalb nicht vorläge, da die Veränderung der so genannten Nettosollarbeitszeit nur eine planerische Vorgabe ist. Hierbei handele es sich um die Vorgabe der einzuplanenden Arbeitszeit für die beschäftigten Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Umstandes von Ausfallzeiten z. B. wegen Urlaub, Krankheit oder ähnlichem. Da diese tatsächliche Abwesenheitszeit nach den Berechnungen der Beteiligten zu 2. nicht im Durchschnitt bei 20 %, sondern tatsächlich bei 23,5 % liege, sei diesem Umstand durch Vorgabe bei den planerischen Grundlagen Rechnung getragen worden. Hieraus ergebe sich zugleich, dass es sich nicht um eine Reduzierung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit handele, sondern nur um die Vorgabe sicherzustellen, dass im Dienstplan nur die Zeiten berücksichtigt würden, die tatsächlich auch verplant werden könnten unter Berücksichtigung von Ausfallzeiten. Die planerische Vorgabe führte zu überhaupt keiner Veränderung des Arbeitsvolumens oder der Arbeitsqualität. Weder würden auf den Stationen mehr Bewohner versorgt, noch von einzelnen Arbeitnehmern eine erhöhte Arbeitsleistung verlangt. Im Ergebnis könne dies daher nicht zu einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität oder der Arbeitsqualität bei der Erbringung der Pflegedienstleistungen führen. Dies lasse sich auch aus den tatsächlichen Dienstplanungen Oktober bis Dezember 2018 ablesen, nach denen die tatsächlich geplante Arbeitszeit im Haus A 1 im Monat November 2018 trotz Änderung der planerischen Nettosollarbeitszeit überhaupt nicht verändert worden sei.
Die Arbeit der Mitarbeiter habe zudem nicht - wie z. B. im Vergleich zu einer Fließbandarbeit - ausschließlich zwingend erforderliche Handlungen zum Gegenstand. Vielmehr könnten auch einzelne Handlungen oder Arbeitsschritte entfallen, beispielsweise durch Nichtvornahme bestimmter Teilleistungen der Pflege, einzelne Gespräche mit Kollegen, Bewohnern oder Angehörigen bzw. deren Verkürzung, die Vergrößerung der zeitlichen Abstände zwischen einzelnen Leistungen, zum Beispiel Kontrolle von Medikamentenbevorratung, Verfallfristen und anderen Einzelleistungen, die zeitlich gestreckt werden können.
Im Ergebnis würde die Annahme eines Mitbestimmungsrechts im Ergebnis bewirken, dass nicht die Dienststelle, sondern die Mitarbeitervertretung die Hoheit über den Stellenplan und den Personaleinsatz gewinnen würde.

II.

Der zulässige Antrag der Mitarbeitervertretung ist im Ergebnis unbegründet. In der Änderung der planerischen Vorgaben für die Dienstplangestaltung mit einer Berücksichtigung von 76,5 % statt 80 % der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit der Arbeitnehmer (Nettosollarbeitszeit) liegt keine Hebung der Arbeitsleistung im Sinne von § 40 Buchstabe i) MVG.EKD vor.
1. Nach § 40 Buchstabe i) MVG.EKD unterliegen im Rahmen der organisatorischen und sozialen Angelegenheiten Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung. Eine ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme ist unwirksam, sofern nicht eine Zustimmung kirchengerichtlich ersetzt worden ist (§ 38 Abs. 1 MVG.EKD).
Mitbestimmungspflichtig sind dabei alle Maßnahmen, die objektiv darauf abzielen, die Effektivität der Arbeit in der vorgegebenen Zeit qualitativ oder quantitativ zu fördern, somit die Güte oder Menge der zu leistenden Arbeit zu erhöhen (KGH.EKD vom 24.05.2011, ZMV 2012, Seite 38). Der Schutzzweck der Norm ist, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor unzumutbaren oder unnötigen Belastungen durch unkontrollierte einseitige Direktiven des Arbeitgebers zu schützen. Als unzumutbar und unnötig kann eine Anweisung dann angesehen werden, wenn die Erhöhung des Arbeitsdrucks objektiv wahrnehmbar ist. Dabei muss eine Gesamtabwägung vorgenommen werden, wenn durch die Änderung der Arbeitsweise neben den Belastungen auch Entlastung entstehen. Erst wenn der Saldo eine Mehrbelastung ergibt, ist von einer Hebung der Arbeitsleistung auszugehen (KGH.EKD a. a. O.). Es liegt keine Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung vor, wenn die Zeiteinheit geschuldete Arbeitsleistung gleichbleibt und der Arbeitgeber eine Verringerung der Arbeitsstandards in Kauf nimmt (Hessischer VGH vom 28.09.1995, Der Personalrat 1996 Seite 367 zu reduzierter Reinigungshäufigkeit bei gleichbleibender geschuldeter Arbeitsleistung je Zeiteinheit).
2. Danach liegt eine Hebung der Arbeitsleistung im Sinne der Mitbestimmung nach dem MVG.EKD nicht vor. Dies beruht kurz zusammengefasst auf folgenden Erwägungen:
Eine unmittelbare Auswirkung auf die Arbeitsleistung hat nur die der Planung zu Grunde gelegte Nettosollarbeitszeit nicht. Insbesondere ist damit keine Änderung der zu erbringenden Arbeitsleistungen für die Mitarbeiter verbunden. Sie berücksichtigt für sich lediglich den Umstand, dass tatsächliche Ausfallzeiten der Mitarbeiter dazu führen, dass diese nicht entsprechend 100% ihrer arbeitsvertraglich vereinbarten Jahresarbeitszeit eingesetzt werden können. Sie trägt Überlegungen Rechnung, dass dies im Vorwege bei der Dienstplangestaltung berücksichtigt werden sollte.
Geänderte Vorgaben für die Ausübung der Arbeitsleistung hat der Arbeitgeber unstreitig nicht vorgenommen.
Es handelt sich inhaltlich um eine planerische Vorgabe, die die Arbeitszeit des einzelnen Mitarbeiters arbeitsvertraglicher Art und die zu erbringende nicht entscheidend berührt, da der Arbeitgeber weiterhin berechtigt und verpflichtet ist, den Arbeitnehmer im arbeitsvertraglich geschuldeten Umfang zu beschäftigen und einzusetzen. Oder anders: Sie ist von ihrer Zielrichtung nicht final auf eine Hebung der Arbeitsleistung gerichtet, hierzu bedürfte es vielmehr weiterer Vorgaben bezogen auf die Arbeitsleistung selbst.
Da die Arbeitnehmer inhaltlich keine anderen Anweisungen erhalten haben, trägt der Arbeitgeber das Risiko, dass mit den eingeplanten Arbeitszeiten die anfallende Arbeit nicht oder nicht im bisherigen Standard erfüllt werden kann. Eine damit einhergehende Mehrleistung der Arbeitnehmer entsteht allein durch die planerische Vorgabe nicht, da es nicht Aufgabe der Arbeitnehmer ist, wenn z. B. durch die Umsetzung der planerischen Vorgabe bestimmte Teilschichten nicht besetzt werden, diese durch eigene Intensivierung der Arbeitsleistung auszugleichen. Mit anderen Worten: Wenn z. B. eine Arbeitnehmerin bisher vier pflegebedürftige Personen im Rahmen eines bestimmten Zeitabschnitts zu pflegen hatte und sich dies aufgrund konkreter planerischer Umsetzung der Vorgaben (Dienstplangestaltung mit geringerer Anzahl von Mitarbeitern pro Station) mangels Vorhandensein bisher zu berücksichtigender Stunden erhöht, trägt zunächst der Arbeitgeber das Risiko, dass die Arbeitnehmerin die Vorgabe bei gleichbleibender gehöriger Arbeitsleistung dies nicht erfüllen kann.
Ein dadurch sicherlich zu spürender subjektiver Druck bei der Arbeitnehmerin reicht dafür (noch) nicht aus.
Ob dieser dann eingetretene Standard vor Ort übergeordneten Überlegungen wie vorgegebenen Standards im Pflegebereich, Ansprüchen der zu Pflegenden, Anforderungen an eine Dienstgemeinschaft entspricht, ist im Rahmen der Konzeption von der Dienststelle zu betrachten und zu verantworten. Um eine Hebung der Arbeitsleistung handelt es sich dann tatsächlich aber nicht im Sinne der mitarbeitervertretungsrechtlichen Bewertung. Es handelt sich im Ergebnis eher um eine planerisch abweichende Verteilung der Arbeitszeit auf den Jahreszeitraum, die sich zudem im Jahresschnitt wieder ändern kann, wenn es z. B. zu weniger krankheitsbedingten Ausfällen als statistisch vermutet kommt und das zu verteilende Arbeitsvolumen auf den Jahreszeitraum gerichtet sich dabei im Laufe des Jahres ändert und mehr Volumen zur Verfügung steht. Gleiches gilt auch für die umgekehrte Richtung.
Die Überlegungen der Beteiligten zu Möglichkeiten einer Kompensation von mehr anfallender Arbeit oder nicht erscheinen daher nicht entscheidend für die Bewertung der Maßnahme, da sie nicht Gegenstand der Vorgabe der Dienststelle waren. Konkrete Weisungen sind auch nicht ersichtlich. Für die Bewertung, ob es sich um eine Hebung der Arbeitsleistung handelt, kann daher auch nur die Vorgabe der geänderten Planzahlen herangezogen werden. Diese für sich führt aber nicht zu einer verdichteten Arbeitsleistung. Sie hat zunächst keinen unmittelbaren Bezug zur konkreten Arbeitsleistung, wenn dies nicht durch weitere Umsetzungsvorgaben begleitet ist.
Der Antrag war daher im Ergebnis zurückzuweisen.
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Homuth (Vorsitzender Richter)
Briemann (Richterin)
Näther (Richterin)