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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:15.12.2017
Aktenzeichen:NK-MG 3-10/2017
Rechtsgrundlage:§ 21 Absatz 1 MVG-EKD, § 38 Absatz 3 Satz 5 MVG-EKD
Vorinstanzen:Parallelentscheidung zu NK-MG 3-8/2017
Schlagworte:
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Leitsatz:

Prüfungsgegenstand der Zustimmungsersetzung bei einer beabsichtigten Versetzung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung sind wie bei einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung nur die Einwände, die die Mitarbeitervertretung in ihrer schriftlichen Zustimmungsverweigerung rechtzeitig vorgebracht hat.
Vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 22. November 2010, I-0124/S48-10

Tenor:

1. Die von der Mitarbeitervertretung verweigerte Zustimmung zur Versetzung der Mitarbeiterin M der Klinik L in O 2 mit dem Ziel der Tätigkeit in der neu zu errichtenden Klinik F in O 3 zum 01.04.2018 wird ersetzt.
2. Der Antrag der Antragstellerin vom 31.07.2017 - soweit er die Ersetzung der Zustimmung zur Änderungskündigung betrifft – wird zurückgewiesen, da die Zustimmung als erteilt gilt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung zu einer von der Antragstellerin beabsichtigten Versetzung beziehungsweise hilfsweisen ordentlichen Änderungskündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung.
Die Antragstellerin bietet seit 1994 für Suchtkranke und andere von Suchterkrankungen betroffene Menschen in O 1 Beratungs-, Vermittlungs- und Betreuungshilfen an. Sie unterhält in O 1 eine Vielzahl von Unternehmen.
1998 eröffnete die Antragstellerin zeitgleich die Klinik L in O 2, Fachklinik für Suchtkrankheiten, und die Klinik F in O 3, Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen. Die Klinikgebäude für beide Kliniken waren vom gleichen Unternehmen angemietet. Die Mietverträge laufen im Jahre 2018 aus.
Die Antragstellerin hat sich in ihren Entscheidungsgremien letztlich dazu entschieden, die Mietverträge nicht über das Jahr 2018 hinaus zu verlängern. Ein Kauf der Kliniken kam aufgrund der Preisvorstellungen der Eigentümer nicht in Betracht. Letztlich fiel der Entschluss, die Klinik in O 2 zu schließen und in O 3 an einem neuen Standort eine neue Klinik mit einer höheren Bettenkapazität zu bauen.
In diese Entscheidungsprozesse waren die Antragsgegnerin und die Mitarbeitervertretung der Klinik O 3 durchgehend eingebunden. Stets ist darauf hingewiesen worden, dass die Klinik in O 2 Anfang des Jahres 2018 geschlossen und die Antragstellerin ab diesem Zeitpunkt keinen Standort und keine Einrichtung in O 2 mehr betreiben wird. Die Patienten der Klinik O 2 werden ab Anfang 2018 in O 3 weiter betreut werden. Den Mitarbeitenden ist angeboten worden, die gleiche Arbeit in O 3 bei gleicher Eingruppierung fortzuführen. Ein Teil der Mitarbeitenden hat erklärt, dieses Angebot annehmen zu wollen, ein anderer Teil hat sich noch nicht abschließend geäußert oder eine Beschäftigung in O 3 abgelehnt.
Die Mitarbeiterin M, die Mitglied der Mitarbeitervertretung ist, ist nicht bereit, das Arbeitsverhältnis in O 3 fortzusetzen.
Mit Schreiben vom 27.06.2017 beantragte die Antragstellerin die Zustimmung der Antragsgegnerin zu einer Versetzung und hilfsweise Änderungskündigung von Frau M.
Mit Schreiben vom 18.07.2017 verweigerte die Antragsgegnerin die Zustimmung zu den beantragten Maßnahmen. Zur Begründung hat sie darauf abgestellt, dass die beabsichtigte Versetzung nach O 3 gegen § 7 Abs. 2 AVR verstoße, da die Versetzung wegen der großen Entfernung zwischen O 2 und O 3 aus persönlichen Gründen nicht zumutbar sei. Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Änderungskündigung sei die Mitarbeitervertretung falsch informiert worden. Den Mitarbeitern stehe entgegen der Ansicht der Dienstgeberin eine Abfindung nach der Sicherungsordnung zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Antrags und der Zustimmungsverweigerung wird auf die Anlagen verwiesen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Mitarbeitervertretung die beantragte Zustimmung zu Unrecht verweigert habe.
Die Antragstellerin beantragt,
die von der Mitarbeitervertretung verweigerte Zustimmung zur Versetzung und hilfsweisen Änderungskündigung der Mitarbeiterin M der Klinik L in O 2 mit dem Ziel der Tätigkeit in der neu zu errichtenden Klinik F in O 3 zum 01.04.2018 zu ersetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Weiter wird Bezug genommen auf das Protokoll des Einigungsgespräches vom 08.09.2017 und den Hinweisbeschluss des Vorsitzenden vom 17.10.2017.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Kirchengerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Der einheitliche Antrag der Antragstellerin wurde durch das Kirchengericht bezüglich der beabsichtigten Versetzung und der Änderungskündigung getrennt behandelt und auch tenoriert, da es sich um unterschiedliche Mitwirkungstatbestände handelt.
1.
Der Antrag zu 1. ist begründet, da die fehlende Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu ersetzen war. Die von der Mitarbeiterin für die Zustimmungsverweigerung angegebene Begründung trägt diese nicht.
Nach § 21 Abs. 1 MVG-EKD dürfen Mitglieder der Mitarbeitervertretung gegen ihren Willen nur versetzt werden, wenn die Mitarbeitervertretung der Versetzung zustimmt oder das Kirchengericht die fehlende Zustimmung ersetzt.
Hier war die Zustimmung zu ersetzen, da die Mitarbeitervertretung die Zustimmung mit der von ihr angegebenen Begründung nicht verweigern konnte.
Prüfungsgegenstand der Zustimmungsersetzung nach § 21 Abs. 1 MVG-EKD bei einer beabsichtigten Versetzung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung sind wie bei einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung , § 42 Buchstabe b) MVG.EKD (vgl. dazu Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Beschluss vom 22.11.2010, I-0124/S48-10 Rn. 30), nur die Einwände, die die Mitarbeitervertretung in ihrer schriftlichen Zustimmungsverweigerung rechtzeitig vorgebracht hat (vgl. § 38 Abs. 3 MVG.EKD).
Hier hat die Mitarbeitervertretung bei ihrer Zustimmungsverweigerung lediglich darauf abgestellt, dass es sich nicht um einen gleichwertigen Arbeitsplatz handele, da erhebliche Fahrzeiten zu berücksichtigen seien. Angesichts des Umstandes, dass die bisherige Beschäftigungsstelle in O 2 aufgelöst wird, reicht dieses nicht als Grund für eine Zustimmungsverweigerung.
Auch die von der Mitarbeitervertretung nachträglich angeführte Argumentation, wonach die Antragstellerin über weitere Einrichtungen verfüge, die näher zum Wohnsitz der Mitarbeiterin lägen, ist nicht geeignet, die Zustimmungsverweigerung zu rechtfertigen. Zum einen sind die Ausführungen zu spät erfolgt, außerdem ist der Vortrag viel zu pauschal, als dass er berücksichtigungsfähig wäre. Es fehlt insbesondere an Vortrag dazu, ob es sich um freie, jedenfalls aber um für die Mitarbeiterin geeignete Stellen handelt.
2.
Der Antrag zu 2. war ebenfalls abzuweisen, da eine Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung durch das Kirchengericht nicht in Betracht kam. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der beabsichtigten Änderungskündigung gilt nach §§ 21 Abs. 3 i. V. m. 38 Abs. 3 S. 1 MVG-EKD als erteilt.
a)
Gemäß §§ 21 Abs. 3, 38 Abs. 1 MVG-EKD ist eine ordentliche Kündigung wegen Auflösung der Dienststelle oder eines wesentlichen Teils derselben unwirksam, wenn die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt worden ist oder der Kündigung nicht zugestimmt hat.
Eine ordnungsgemäße Beteiligung ist hier erfolgt. Die Antragstellerin hat die Mitarbeitervertretung gemäß § 38 Abs. 2 S.1 MVG-EKD von der beabsichtigten Kündigung unterrichtet und die Zustimmung beantragt. Die Unterrichtung der Mitarbeitervertretung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Kündigungsgrund wird einschließlich des Fehlens anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten dargelegt. Er liegt darin begründet, dass die Klinik L in O 2 unstreitig geschlossen und damit aufgelöst wird. Darüber hinaus enthält das Schreiben alle erforderlichen persönlichen Daten der Mitarbeiterin und Angaben zur Kündigungsfrist. Aus dem Schreiben ließ sich für die Mitarbeitervertretung zugleich ersehen, dass die Kündigung - wenn möglich - zum 01.04.2018 erfolgen soll.
b)
Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung gilt gemäß § 38 Abs. 3 S. 1 MVG-EKD als erteilt.
Diese Fiktion greift ein, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen entweder die Zustimmung schriftlich verweigert oder aber eine mündliche Erörterung beantragt. Beides ist hier nicht erfolgt.
aa)
Gemäß § 38 Abs. 3 S. 5 MVG-EKD hat die Mitarbeitervertretung die Zustimmungsverweigerung schriftlich zu begründen. Da die Zustimmung zur Kündigung gemäß § 41 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 3 MVG-EKD nur verweigert werden darf, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt, muss die Begründung sich hierauf beziehen (vgl. KGH.EKD v. 07.04.2008 - I-0124/N80-07 - zitiert nach juris; Fey/Rehren, § 41 MVG-EKD Rn. 28). Zwar sind an den Umfang der Begründung keine überspannten Anforderungen zu stellen. Die Begründung muss aber so gefasst sein, dass der Arbeitgeber erkennen kann, worauf es der Mitarbeitervertretung ankommt (KGH.EKD v. 07.04.2008 - I-0124/N80-07 - zitiert nach juris, Rn.12). Ein bloßes Stichwort oder eine formelhafte Wiedergabe der in § 41 Abs. 2 MVG.EKD genannten Verweigerungsgründe reichen nicht aus. Vielmehr muss stets erkennbar sein, auf welche konkreten Umstände und Tatsachen die Mitarbeitervertretung einen bestimmten Ablehnungsgrund stützt (vgl. KGH.EKD v. 07.04.2008 - I-0124/N80-07 - zitiert nach juris). Die Begründung muss es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass ein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist. Eine Begründung, die offensichtlich außerhalb irgendeines Mitbestimmungstatbestandes liegt, ist unbeachtlich.
Eine nicht ausreichende Begründung ist einer Nichtbegründung gleichzusetzen. Die Zustimmung gilt dann als erteilt (KGH.EKD v. 07.04.2008 - I-0124/N80-07 - zitiert nach juris, Rn.12). Dieses gilt auch bei einer Kündigung nach § 21 Abs. 3 MVG-EKD (Fey/Rehren, § 21 MVG-EKD Rn. 13, 18).
Prüfungsgegenstand der Zustimmungsersetzung nach § 21 Abs. 3 MVG.EKD bei einer beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung (§ 42 Buchstabe b) MVG.EKD) gegenüber einem Mitarbeitervertreter sind nur die Einwände, die die Mitarbeitervertretung in ihrer schriftlichen Zustimmungsverweigerung rechtzeitig vorgebracht hat (vgl. § 38 Abs. 3 MVG.EKD). Die Einwände sind rechtlich nur beachtlich, soweit sie auf einem Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 41 Abs. 2 MVG.EKD beruhen. Daran ändert das Zustimmungserfordernis des § 21 Abs. 3 MVG.EKD nichts (Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Beschluss vom 22.11.2010, I-0124/S48-10 Rn. 30).
Gemessen hieran ist von einer Zustimmungserteilung auszugehen, da das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 18.07.2017 keine ordnungsgemäße Begründung enthält.
Die Zustimmungsverweigerung wird ausdrücklich nur darauf gestützt, dass die Mitarbeiterin keine Abfindung nach der Sozialordnung erhalten solle.
Diese Begründung lässt auf den ersten Blick erkennen, dass sich die Mitarbeitervertretung nicht auf einen Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne des § 41 Abs. 2 MVG-EKD beruft.
Eine Rechtsvorschrift, welche die Wirksamkeit der Kündigung an die Zahlung einer Abfindung knüpft, gibt es nicht. Auch § 8 Sicherungsordnung (SO) verknüpft die Wirksamkeit der Kündigung nicht mit einer Abfindungszahlung.
§ 8 SO lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 8 Abfindung
(1) Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter, die bzw. der auf Veranlassung der Dienstgeberin bzw. des Dienstgebers im gegenseitigen Einvernehmen oder aufgrund einer Kündigung durch die Dienstgeberin bzw. den Dienstgeber aus dem Dienstverhältnis ausscheidet, erhält nach Maßgabe folgender Tabelle eine Abfindung: ...
(2) Der Anspruch auf Abfindung entsteht am Tag nach der Beendigung des Dienstverhältnisses. Hat die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber das Dienstverhältnis gekündigt, wird die Abfindung erst fällig, wenn die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage abgelaufen ist oder, falls die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhoben hat, endgültig feststeht, dass die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ausgeschieden ist.
(3) ..."
Hiernach entsteht die Abfindung - sofern die Voraussetzungen erfüllt sind - unabhängig von einer Zusage des Arbeitgebers. Auf die Wirksamkeit der Kündigung hat die Abfindungszahlung keinen Einfluss. Umgekehrt: Die Fälligkeit der Abfindung setzt voraus, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig feststeht.
Auch die Mitarbeitervertretung hat in ihrer Zustimmungsverweigerung nicht etwa die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen der fehlenden Abfindungsbereitschaft unwirksam und verstoße dementsprechend gegen eine Vorschrift im Sinne des § 41 Abs. 2 MVG-EKD. Sie hat in dem Schreiben vom 18.07.2017 lediglich bemängelt, dass der Antragstellerin die Bereitschaft zur Zahlung einer Abfindung nach § 8 SO fehle. Der von der Mitarbeitervertretung erwähnte § 8 SO verbietet jedoch keine Kündigung. Der dort vorgesehene Anspruch auf eine Abfindung setzt vielmehr voraus, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist.
bb)
Die Mitarbeitervertretung hat auch keine Erörterung gemäß § 38 Abs. 2 S. 2 MVG.EKD verlangt, mit der Folge, dass dann gemäß § 38 Abs. 3 S.1 Alt. 2 MVG-EKD die Fiktion nicht greifen würde.
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Eckhardt (Vorsitzender Richter)
Rosenkranz (Richterin)
Batke (Richter)