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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:19.03.2015
Aktenzeichen:NK-MG 1-39/2014
Rechtsgrundlage:MVG-EKD: § 38 Absatz 1, 2 und 4, § 41 Absatz 1, 2 und 3, § 42 Buchstabe b, § 60 Absatz 5; Kündigungsschutz-Gesetz: § 1 Absatz 3
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

  • Weigerung einer Mitarbeitervertretung, einer beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung eines Kirchenmusikers und dessen Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen zuzustimmen.
  • Defizitäre Finanzsituation einer Kirchengemeinde als Anlass für eine betriebsbedingte Änderungskündigung
  • Rechtliche Bedeutung von Pflichtaufgaben der Kirchengemeinde (Verwaltung der Kirchengemeinde und Friedhöfe) gegenüber sonstigen Aufgaben (Kinder- und Jugendarbeit und Kirchenarbeit) bei der Personalauswahl im Falle einer betriebsbedingten Kündigung

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt ist, die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung des Mitarbeiters M zu verweigern.

Gründe:

1.

Die Beteiligten streiten um die von der Antragsgegnerin verweigerte Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung des Mitarbeiters M.
Herr M ist seit dem X.Y.2010 bei der Antragstellerin als Kirchenmusiker angestellt, zunächst mit einer Wochenarbeitszeit von 33 Stunden unter Eingruppierung in KAT 8. Diese Eingruppierung wurde rückwirkend in KAT 9 erhöht und die Arbeitszeit für die Zeit vom X.Y.2012 bis zum X.Y.2012 zunächst befristet auf 39 Wochenstunden erhöht; ab dem X.Y.2013 ist Herr M mit 39 Wochenstunden unbefristet beschäftigt.
Jedenfalls in den Jahren 2010 bis 2013 hat es bei der Antragstellerin ein Haushaltsdefizit gegeben, das aus Rücklagen ausgeglichen wurde. In seiner Sitzung am X.Y.2014 hat der Kirchengemeinderat der Antragstellerin beschlossen, das Arbeitsverhältnis von Herrn M mit Ablauf des X.Y.2014 ordentlich betriebsbedingt zu kündigen und Herrn M mit Wirkung vom X.Y.2015 mit geänderten Arbeitsvertragsbedingungen weiter zu beschäftigen.
Im Auftrag des Kirchengemeinderates der Antragstellerin beantragte das Verwaltungszentrum mit Datum vom X.Y.2014 bei der Antragsgegnerin die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und die Zustimmung zur Weiterbeschäftigung und zur Eingruppierung von Herrn M mit Wirkung vom X.Y.2015.
Die Antragsgegnerin stellte mit Schreiben vom X.Y.2014 Erörterungsbedarf fest; es kam am X.Y.2014 zu einem Gespräch zwischen der Antragsgegnerin und dem Verwaltungsleiter V. Der Kirchengemeinderat der Antragstellerin teilte mit Schreiben vom X.Y.2014 mit, dass er die Erörterung für abgeschlossen erkläre.
Die Antragsgegnerin verweigerte mit Schreiben vom X.Y.2014 die Zustimmung zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und entsprechend auch zur Weiterbeschäftigung von Herrn M und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die dringenden betrieblichen Erfordernisse zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung nicht hinreichend dargelegt worden seien und dass keine Sozialauswahl im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes vorgenommen worden sei. Mit dem am X.Y.2014 beim Kirchengericht eingegangenen Antrag begehrt die Antragstellerin nunmehr die Ersetzung der verweigerten Zustimmung der Antragsgegnerin zur beabsichtigten fristgerechten betriebsbedingten Kündigung von Herrn M sowie zu seiner Weiterbeschäftigung.
Die Antragstellerin begründet ihre Entscheidung damit, dass es auch über das Jahr 2013 hinaus ein strukturelles Defizit gäbe, das sie zum Handeln zwinge. Das Haushaltsjahr 2013 habe mit einem Defizit in Höhe von 44.733,30 Euro abgeschlossen und die Rücklagen hätten – einschließlich Zinsgutschriften – nur noch 34.048,86 Euro betragen. Für das Haushaltsjahr 2014 sei dann in vielen Sitzungen das Einsparpotential ausgelotet worden; der erste Haushaltsentwurf für 2014 sei von einem strukturellen Defizit in Höhe von 56.800 Euro ausgegangen. In weiteren Beratungen der Gremien sei dann die Bauunterhaltung im Haushalt auf ein Minimum zusammengestrichen worden, sodass sich schließlich ein strukturelles Defizit für 2014 in Höhe von 41.750 Euro ergeben habe. Auch dieser Betrag habe nicht durch den vorhandenen Rücklagenbestand abgedeckt werden können. Selbst wenn der fehlende Betrag von ca. 7.700 Euro für 2014 durch sparsame Haushaltsführung eingespart werden könne, seien die freien Rücklagen der Kirchengemeinde damit aufgebraucht. Ein Haushaltsausgleich für 2015 sei ohne Reduzierungen im Personalbereich nicht möglich. Neben der beabsichtigten Einsparung beim Arbeitsplatz von Herrn M seien drei andere Arbeitsplätze aufgrund vertraglicher Vereinbarungen ganz oder zum Teil weggefallen. So sei im Bereich der kirchlichen Jugendarbeit eine Stelle durch Aufhebungsvertrag freigeworden, die nicht wieder besetzt werde. Im Bereich Friedhof sei ein Mitarbeiter ebenfalls ausgeschieden. Im Falle der Kirchenmusik sei der Aufgabenbereich unter Einbeziehung des Kreiskantors um ca. 20 % reduziert worden, indem die Bereiche Kinder- und Jugendprojektarbeit, Stimmbildung und Stimmpflege in den Chören und die Vorbereitung und Durchführung von Konzerten Dritter einschließlich Öffentlichkeitsarbeit aufgegeben werden sollten.
Ein vergleichbarer freier Arbeitsplatz könne Herrn M nicht angeboten werden; es sei nur eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich.
Die Antragstellerin beantragt
festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt ist, die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und zur Weiterbeschäftigung von Herrn M nach § 41 Absatz 1 MVG.EKD zu verweigern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin verweist zunächst darauf, dass das finanzielle Defizit nicht erstmalig in 2013 aufgetreten sei. Sie bestreitet, dass auch das Haushaltsjahr 2014 defizitär gewesen sei bzw. dass das Haushaltsjahr 2015 ohne die beabsichtigte Änderungskündigung des Herrn M defizitär sein werde. Immerhin habe die Antragstellerin, obwohl bereits die Vorjahre defizitär gewesen seien, die Arbeitszeit von Herrn M ausgeweitet und auch seine Vergütung erhöht. Daher bestreitet die Antragsgegnerin das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ebenso wie den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs. Im Übrigen sei die beabsichtigte Kündigung nicht geeignet, den Haushalt so zu entlasten, dass es in der Folge zu keinem Haushaltsdefizit mehr komme. Die Antragsgegnerin bestreitet, dass es keine anderweitigen ausreichenden Einsparmöglichkeiten gibt. Es sei nicht einmal erkennbar, dass die Antragstellerin einen umfassenden Sanierungsplan aufgestellt habe, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpfe. Nicht vorgetragen sei, dass die Gehälter oder Arbeitszeiten sämtlicher Mitarbeiter im gleichen Verhältnis gekürzt worden seien oder gekürzt werden sollten, wie Gehalt und Arbeitszeit des Herrn M. Dies sei aber im Zuge der Gleichbehandlung aller Mitarbeiter zwingend erforderlich. Auch sei nicht ersichtlich, dass das behauptete Haushaltsdefizit in alle Zukunft andauere. Herr M werde es nicht hinnehmen müssen, auf Dauer weniger Arbeitsstunden und ein geringeres Gehalt zu haben, wenn das Defizit in ein oder zwei Jahren überwunden sei. Schließlich bestreitet die Antragsgegnerin eine rechtmäßige Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz.

2.

Der Antrag ist zulässig und begründet.
Es war festzustellen, dass es einen Grund zur Zustimmungsverweigerung gem.§ 41 MVG.EKD für die Antragsgegnerin hinsichtlich der hier streitbefangenen personellen Maßnahme nicht gibt.
Die Antragsgegnerin beruft sich hinsichtlich ihrer Zustimmungsverweigerung zur beabsichtigten ordentlichen fristgerechten betriebsbedingten Kündigung von Herrn M sowie zu seiner Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen im Wesentlichen darauf, dass die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes hier nicht vorlägen.
In der mündlichen Verhandlung am X.Y.2015 war nicht streitig, dass bei der Antragstellerin die finanzielle Lage desolat ist und die freien Rücklagen so gut wie aufgebraucht sind. Ebenso unbestritten ist, dass die Ursachen hierfür im Wesentlichen in finanzwirksamen Entscheidungen der Antragstellerin der vergangenen Jahre zu suchen sind, die bei Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und verantwortungsvollen Haushaltsführung in dieser Form besser nicht hätten getroffen werden sollen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die jetzige mehr als angespannte finanzielle Lage der Antragstellerin als dringendes betriebliches Erfordernis i. S. v. § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz zu werten ist und auch im Lichte arbeitsrechtlicher Entscheidungen aller Anlass für eine unternehmerische Entscheidung bestand.
Anders als die Antragsgegnerin hat das Kirchengericht hier sehr wohl ein Sanierungskonzept zu erkennen vermocht, das mehr beinhaltet als lediglich die beabsichtigte Änderungskündigung von Herrn M.
Denn wie nicht streitig ist, ist auch im Bereich der Friedhöfe eine Stelle zwischenzeitlich unbesetzt und wird auch nicht wieder besetzt und im Bereich der Jugendarbeit ist eine Stelle gestrichen und mit der betroffenen Mitarbeiterin ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden.
Durch die Antragstellerin wurde in der mündlichen Erörterung deutlich gemacht, dass sie sich bei ihren Einsparungsüberlegungen davon hat leiten lassen, welche Aufgaben sie verpflichtend wahrzunehmen hat – Verwaltung der Kirchengemeinde, Friedhöfe – und welche Aufgaben sie eben gerade nicht als Pflichtaufgaben wahrzunehmen hat. Dies sind die Bereiche Kinder- und Jugendarbeit sowie Kirchenmusik.
Beide Bereiche liegen der Antragstellerin, wie sie verdeutlicht hat, durchaus am Herzen, gerade weil hier Kirche nach außen wirkt und ausstrahlt und Menschen an Kirche herangeführt werden und werden können. Dennoch zählen beide Bereiche nicht zu den Aufgaben, die seitens einer Kirchengemeinde zwingend wahrgenommen werden müssen. Deshalb hat die Antragstellerin beschlossen, in diesen Bereichen insbesondere Einsparungen vorzunehmen. Dabei ist sie, so die Einschätzung des Gerichts, gerade nicht unreflektiert vorgegangen und sie hat sich eben auch nicht auf die beabsichtigte Änderungskündigung von Herrn M beschränkt.
Auch das Arbeitsgericht hat im Fall der betriebsbedingten Kündigung lediglich zu prüfen, ob es einen Anlass gab, eine unternehmerische Entscheidung zu treffen – dieser Anlass liegt hier mit der Finanzlage der Antragstellerin vor. Die unternehmerische Entscheidung als solche kann aber lediglich daraufhin überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich oder willkürlich ist.
Das Kirchengericht jedenfalls konnte nicht feststellen, dass die Maßnahmen, die die Antragstellerin zur Umsetzung ihres Konzeptes geplant hat, offenbar unsachlich oder willkürlich sind. Insbesondere im Fall von Herrn M hat die Antragstellerin zur Überzeugung des Kirchengerichts gerade das mildeste Mittel gewählt, indem sie ihm im Wege der Änderungskündigung zwar eine gekürzte Weiterbeschäftigung anbietet, aber eben gerade nicht bloß eine Beendigungskündigung aussprechen will. Damit verhält sich die Antragstellerin so, wie sich ein Arbeitgeber, der noch einen gekürzten Arbeitsvertrag anbieten kann, auch verhalten muss. Er ist verpflichtet, wenn er noch eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen anbieten kann, dies zu tun.
Eine soziale Auswahl kommt vorliegend nicht in Betracht; denn in dieser sind nur miteinander vergleichbare Mitarbeiter einzubeziehen. Herr M als einziger Kirchenmusiker der Antragstellerin ist aber weder mit der Gemeindesekretärin noch mit Friedhofsmitarbeitern, einem Hausmeister oder Mitarbeitern in der Kinder- und Jugendarbeit oder Kindergartenmitarbeiterinnen zu vergleichen.
Damit liegt ein Grund für eine Zustimmungsverweigerung zu der beabsichtigten personellen Maßnahme für die Mitarbeitervertretung gem. § 41 MVG.EKD nicht vor. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung gilt daher gem. § 60 Absatz 5 MVG.EKD als ersetzt.
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Raasch