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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:27.06.2005
Aktenzeichen:2 KG 8/2005
Rechtsgrundlage:MVG-EKD:
§ 41 Abs. 2
§ 42 lit. b
KAT-NEK:
§ 53 Abs. 2
KSchG:
§ 1 Abs. 2 Satz 1
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:


Beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung eines Kirchenmusikers
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.
Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer weggefallen ist. Wird allerdings in dem Haushaltsplan einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (hierzu gehören auch die evangelischen Kirchengemeinden) eine nach sachlichen Merkmalen genau bezeichnete Stelle gestrichen, begründet schon dies eine kündigungsrelevante betriebliche Bedingung, die einer Weiterbeschäftigung des Stelleninhabers in dieser Verwaltung entgegensteht.
Vom Kirchengericht ist jedoch zu prüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung auch tatsächlich vorliegt und ob durch ihre Umsetzung jeweils das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, die Zustimmung zu der von der Antragstellerin beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung des Kirchenmusikers M zu verweigern.

Gründe:


I.

Die Antragstellerin beabsichtigt, den 1966 geborenen, bei ihr seit 1991 als Kirchenmusiker mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 2.987,04 € beschäftigten Mitarbeiter M mit einer Frist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres aus betriebsbedingten Gründen zu kündigen.
Sie teilte deshalb der Antragsgegnerin mit, dass der Kirchenvorstand mit Beschluss vom 27. Januar 2005 entschieden habe, „den inhaltlichen Schwerpunkt in der Kinder- Jugend- und Familienarbeit auch weiterhin durch die hauptamtliche Tätigkeit der Diakonin zu stützen, den Bereich Kirchenmusik auf eine nebenamtliche Tätigkeit zu reduzieren.“
Im Hinblick auf diese Entscheidung des Kirchenvorstands, auf die hauptamtliche Tätigkeit eines Kirchenmusikers zu verzichten, bat sie die Antragsgegnerin gleichzeitig darum, einer betriebsbedingten fristgemäßen Beendigungskündigung des Dienstverhältnisses ihres Kirchenmusikers M zuzustimmen.
Die Antragsgegnerin hat der in Aussicht genommenen betriebsbedingten Kündigung mit Schreiben vom 23. Februar 2005 nicht zugestimmt: Dies setze voraus, dass der Aufgabenbereich des Kirchenmusikers gänzlich entfalle. Davon könne aber nicht ausgegangen werden. Im Übrigen ließe sich die beabsichtigte Beendigungskündigung im Zuge einer Abordnung des Mitarbeiters M vermeiden.
Mit dem beim Kirchengericht am 7. März 2005 eingegangenen Antrag begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung zu verweigern. Sie hebt darauf ab, dass der Bereich der Kirchenmusik auf eine ehrenamtliche Tätigkeit reduziert werden solle.
Am 2. Juni 2005 ist die Sach- und Rechtslage beim Vorsitzenden im Beisein eines Vertreters des Kirchenkreises K erörtert worden, insbesondere ist die Frage diskutiert worden, ob mit der Entscheidung des Kirchenvorstandes eine den gesetzlichen Vorgaben von § 1 KSchG entsprechende „unternehmerische Entscheidung“ getroffen worden ist, der zufolge der Beschäftigungsbedarf für den Kirchenmusiker M grundsätzlich auch auf Dauer entfällt.

II.

1.) Das Kirchengericht entscheidet gemäß § 61 Abs. 2 Satz 3 MVG-EKD im Einverständnis mit den Verfahrensbeteiligten durch den Vorsitzenden anstelle der Kammer im schriftlichen Verfahren.
2.) Der zulässige Antrag festzustellen, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, die Zustimmung zu der in Aussicht genommenen betriebsbedingten Kündigung zu verweigern, hat in der Sache Erfolg.
Das Kirchengericht hat nach § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD in Fällen, die wie hier der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegen, zu prüfen und ggf. festzustellen, ob die Mitarbeitervertretung berechtigt ist, ihre Zustimmung aus den in § 41 Abs. 2 MVG-EKD genannten Gründen zu verweigern.
Der Antragsgegnerin steht ein solcher Grund, die Zustimmung nach Maßgabe von § 41 Abs. 2 MVG-EKD zu verweigern, nicht zur Seite:
Das Kirchengericht ist der Auffassung, dass die beabsichtigte ordentliche – betriebsbedingte – Kündigung des Mitarbeiters M nicht gegen eine Rechtsvorschrift, insbesondere nicht gegen § 1 Abs. 2 und 3 KSchG, verstößt. Die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist im Sinne dieser Bestimmungen sozial gerechtfertigt.
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. u. a. BAG Urt. v. 9.5.1996 - 2 AZR 438/95 -, NZA 1996, 1145, 1147). Demzufolge kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch weiterhin einen solchen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann, wie er dies nach dem Arbeitsvertrag zu tun verpflichtet ist. „Wegfall des Arbeitsplatzes“ als Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündi¬gung bedeutet somit „Wegfall aller vom Arbeitsvertrag umfassten Arbeitsplätze“ (unter Berücksichtigung des Prinzips der Selbstauswahl). Das heißt „Wegfall der vertragsgemäß geschuldeten Beschäftigungsmöglichkeit“ (vgl. u. a. Berkowsky, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2000, § 138 Rn. 47).
Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer weggefallen ist (vgl. BAG Urt. v. 18.11.1999 - 2 AZR 77/99 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 55).
Wird allerdings in dem Haushaltsplan einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eine nach sachlichen Merkmalen genau bezeichnete Stelle gestrichen, begründet schon dies eine kündigungsrelevante betriebliche Bedingung, die einer Weiterbeschäftigung des Stelleninhabers in dieser Verwaltung entgegensteht (vgl. dazu bereits BAG Urt. v. 28.11.1956, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG; BAG Urt. v. 18.11.1999 – 2 AZR 77/99 -, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 55 m. w. N.).
Im Falle einer solchen Stellenstreichung wäre von den Arbeitsgerichten ggf. nur noch nachzuprüfen, ob die kündigende Behörde die weiteren Kündigungsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG beachtet hat (vgl. Feudner, Anmerkung zum Urteil des BAG v. 18.11.1999, a. a. O). Allerdings ist von dem Kirchengericht jedenfalls zu prüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung auch tatsächlich vorliegt und ob durch ihre Umsetzung jeweils das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, AP Nr. 42 und 50 zu § 1 KSchG 1969 - betriebsbedingte Kündigung).
In Anwendung dieser Grundsätze, die allerdings dem Kirchengericht eine vollumfängliche Nachprüfungspflicht der - zwischen dem Arbeitgeber und dem ggf. zu kündigenden Arbeitnehmer - bestehenden individualrechtlichen Beziehungen nicht zwingend auferlegen, ist festzustellen, dass eine wirksame unternehmerische Entscheidung der Antragstellerin, den Arbeitsplatz des Mitarbeiters M fortfallen zu lassen, gegeben ist.
Die Antragstellerin hat sich nicht nur entschlossen, künftig auf die Tätigkeit eines Kirchenmusikers auf der Grundlage eines auf unbestimmte Dauer angelegten Beschäftigungsverhältnisses gänzlich zu verzichten, sondern sie hat diesen Entschluss haushaltsmäßig mit Genehmigung des Kirchenkreises K auch tatsächlich umgesetzt.
Nach den von der Antragstellerin und dem Vertreter des Kirchenkreises K im Erörterungstermin gemachten Angaben, die die Antragsgegnerin nicht bestritten hat, ist die früher haushaltsmäßig im Stellenplan der Kirchengemeinde ausgewiesene Stelle eines Kirchenmusikers gestrichen worden. Damit ist ein entsprechender Beschäftigungsbedarf für einen Kirchenmusiker entfallen. Dieser Stellenstreichung hat der Kirchenkreisvorstand zugestimmt, so dass sie auch vollzogen werden kann (vgl. Artikel 15 Abs. 2 a, 35 Abs. 1 Verfassung NEK).
Die Antragstellerin hat sich zu dieser Entscheidung aufgrund der von ihr im Einzelnen dargelegten dramatisch schlechten finanziellen Situation gezwungen gesehen. Sie erfordert unabweisbar die Einsparung von Personalkosten, was auch im Grundsatz von der Antragsgegnerin nicht bestritten wird, wenngleich sie unter den gegebenen Umständen schon eine vorzunehmende Streichung des zeitlichen Umfangs der Arbeitszeit des Mitarbeiters als ausreichend ansieht. Aber auch dafür fehlen, beispielsweise nach einer Reduzierung der Stundenzahl um die Hälfte, nach den glaubhaften Ausführungen der Antragstellerin zukünftig erkennbar die erforderlichen finanziellen Mittel.
Die Entscheidung der Antragstellerin, den Arbeitsplatz ihres Kirchenmusikers angesichts der im Einzelnen plausibel geschilderten, dramatisch schwierigen Finanzsituation dauerhaft gänzlich wegfallen zu lassen, erscheint folglich nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder gar willkürlich (vgl. Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten, Beschl. v. 21. 06. 2005 - 12/2005 - m. w. N.).
Sie ist vielmehr angesichts der einschneidenden Kürzung der bisherigen Kirchensteuerzuweisungen sachlich vertretbar und ist ersichtlich dadurch geprägt, zu erkennbar nachhaltigen Einsparungen zu kommen, um zukünftig einen konsolidierten Haushalt vorlegen zu können. Der insoweit autonome Willensentschluss der Antragstellerin, den Bereich der Kirchenmusik in der bisherigen Form zu Gunsten anderer Schwerpunkte kirchlicher Arbeit aufzugeben, ist im Grundsatz zu respektieren. Konkret belegte Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei um eine willkürliche Entscheidung handeln könnte, fehlen.
Vor allem ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin, die unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. oben Urt. v. 9.5.1996, 2 -AZR 438/95 - a. a. O.) behauptet, die Antragstellerin beabsichtige, lediglich das Entgeltrisiko für die kirchenmusikalische Tätigkeit ihres Mitarbeiters auf sog. freie Mitarbeiter zu verlagern, nicht, weshalb hier die unternehmerische Entscheidung missbräuchlich sein soll. Da für eine beschlossene und auch tatsächlich durchgeführte Unternehmerentscheidung die Vermutung spricht, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt, Rechtsmissbrauch folglich die Ausnahme ist, wären jedenfalls in einem Kündigungsschutzprozess vom Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Konkrete Anhaltspunkte für eine solche Annahme sind im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich.
Da auch die weiteren Kündigungsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG beachtet worden sind, insbesondere weder bei der Antragstellerin ein gleichwertiger Arbeitsplatz besteht noch an anderer Stelle sich durch zumutbare Bemühungen der Antragstellerin sich ein solcher hat finden lassen, ist die beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung kündigungsschutzrechtlich nicht zu beanstanden.

III.

Der kirchengerichtliche Beschluss ist für die Beteiligten des Verfahrens gem. § 60 Abs. 8 Satz 1 MVG-EKD verbindlich.
gez. Dr. Roggentin
(Vorsitzender Richter)