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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:18.12.2008
Aktenzeichen:1 KG 25/2008
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 41 Abs. 1 § 42 lit. b (analog) § 60 Abs. 5
BGB § 626
KAT (neu) § 27 Abs. 2, Abs. 4
KAT-NEK (alt) §§ 53 Abs. 3, 55 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2
SGB IX §§ 85, 88 Abs. 3, 91
Vorinstanzen:
Schlagworte:
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Leitsatz:

Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist eines schwerbehinderten, tarifrechtlich ordentlich unkündbaren Mitarbeiters.
Fehlen einer positiven vollziehbaren Entscheidung des Integrationsamtes hinsichtlich der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Kirchengericht.

Tenor:

Es wird gemäß § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K keinen Grund hat, die nach § 42 lit. b MVG-EKD erforderliche Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist der tarifrechtlich ordentlich unkündbaren (§ 27 Abs. 3 KAT) Mitarbeiterin M zu verweigern.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass für die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist der schwerbehinderten, tarifrechtlich ordentlich unkündbaren Mitarbeiterin M vorliegt.
Die am X.Y.1950 geborene Mitarbeiterin M ist seit 1984 bei der Kirchengemeinde G beschäftigt. Seit dem X.Y.2004 ist sie als Gemeindesekretärin mit 50 % der tariflichen Arbeitszeit (19,25 Wochenstunden) eingesetzt. Nach § 14 Abs. 1 KAT ist sie mit Wirkung vom 1.4.2007 in die Entgeltgruppe K 5 der Abteilung 1 der EntgeltO zum KAT eingruppiert. Aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung und ihres Lebensalters kann der Mitarbeiterin M nach § 27 Abs. 4 Satz 1 KAT nur noch außerordentlich gekündigt werden. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Mitarbeiterin ist schwerbehindert; der Gesamtgrad ihrer Behinderung (GdB) beträgt derzeit 70 %.
Aufgrund länger andauernder krankheitsbedingter Fehlzeiten der Mitarbeiterin M war die Antragstellerin gezwungen, die bisher dieser Mitarbeiterin übertragenen Tätigkeiten als Gemeindesekretärin anderweitig zu erbringen. Nachdem kurzfristig eine Aushilfe eingestellt worden war, übernahmen der Gemeindepastor P und die Gemeindepastorin Pin fast alle der Mitarbeiterin M obliegenden Arbeiten. Das sind im Wesentlichen: Anmeldungen von Teilnehmern für Freizeiten, Ausflüge, Gruppenveranstaltungen; das Erstellen von Vorlagen für Gottesdienste, Konzerte und Veranstaltungsprogramme; das Bearbeiten von Textbeiträgen sowie die Korrespondenz mit dem Kirchenvorstand und Einladungen für die Kirchenvorstandssitzungen. Tätigkeiten, die darüber hinaus in geringfügigem Umfange anfallen, werden regelmäßig durch Mitglieder des Kirchenvorstandes ehrenamtlich durchgeführt.
Wegen der gemachten guten Erfahrungen mit dieser neuen Arbeitsaufteilung und im Hinblick auf die immer knapper werdenden Finanzmittel der Kirchengemeinde G hat der Kirchenvorstand auf seiner Sitzung am 19.1.2008 beschlossenen, im Stellenplan der Gemeinde für das Haushaltsjahr 2008 die Stelle der Gemeindesekretärin mit 19,25 Wochenstunden zu streichen. Das Mitberatungsverfahren nach § 46 lit. f MVG-EKD ist durchgeführt worden. In diesem Zusammenhang ist die Mitarbeitervertretung davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die Tätigkeiten der Gemeindesekretärin M zukünftig von Pastor P, Pastorin Pin sowie ehrenamtlichen Helfern durchgeführt werden sollen.
Am 5.3.2008 hat der Kirchenvorstand G beschlossen, das Arbeitsverhältnis mit der Mitarbeiterin M außerordentlich betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist, d. h. mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres (vgl. § 27 Abs. 2 KAT) zu kündigen.
Das Mitbestimmungsverfahren nach § 42 lit. b MVG-EKD (analog) zur beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung ist von der Antragstellerin mit Schreiben vom 28.3.2008 eingeleitet worden.
Mit einem weiteren Schreiben vom 28.3.2008 hat die Antragstellerin beim Integrationsamt der Freien und Hansestadt Hamburg die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist beantragt. Das Integrationsamt hat mit Bescheid vom 15.4.2008, die Zustimmung nach § 85 SGB IX erteilt.
Auf Antrag der Mitarbeitervertretung ist die Angelegenheit am 25.4.2008, 7.5.2008 und 3.7.2008 eingehend erörtert worden. Im Termin am 3.7.2008 hat die Mitarbeitervertretung das Scheitern der Erörterungsgespräche erklärt.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt sei, ihre Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist der Mitarbeiterin M zu verweigern.
Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Antragsschrift nebst Anlagen (Ast. 1 bis Ast. 9) Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom 21.10.2008 ergänzt.
Das Kirchengericht hat über den Antrag zunächst am 22.10.2008 mündlich verhandelt. Auf das gefertigte Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Eine von den Beteiligten für möglich gehaltene außergerichtliche Einigung mit der Mitarbeiterin M über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist gescheitert.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15.12.2008 näher ausgeführt, welche konkreten Anstrengungen sie bislang unternommen habe, um für die Mitarbeiterin M eine deren Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit in einer anderen Kirchengemeinde oder sonstigen kirchlichen Einrichtung zu finden. Desgleichen hat sie unter Vorlage des Haushaltsplanes 2008 einschließlich des Stellensplanes sowie der Vermögensübersicht per 31.12.2006 und des beabsichtigten Haushaltsplanes 2009 die gegenwärtige und zukünftige Finanz- und Vermögenssituation der Kirchengemeinde G erläutert.
Die Antragstellerin beantragt,
das Kirchengericht möge gemäß § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD feststellen, dass die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K keinen Grund hat, die nach § 42 lit. b MVG-EKD erforderliche Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist der tarifrechtlich ordentlich unkündbaren (§ 27 Abs. 3 KAT) Mitarbeiterin M zu verweigern.
Die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie tritt dem Begehren entgegen. Sie hält die beabsichtigte außerordentliche betriebsbedingte Kündigung der Mitarbeiterin M nicht für gerechtfertigt.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Mitarbeitervertretung wird auf den Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 8.10.2008 sowie ihr eigenes Schreiben an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin vom 18.12.2008 Bezug genommen.
Das Kirchengericht hat erneut am 18.12.2008 über den Antrag mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll vom 18.12.2008 wird Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.
Die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K ist nicht berechtigt, ihre Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist der Mitarbeiterin M zu verweigern, da ein Verweigerungsgrund nach § 41 Abs. 2 MVG-EKD nicht gegeben ist.
1. In den Fällen, die einem eingeschränkten Mitbestimmungsrecht unterliegen – wie hier (§ 42 lit. b MVG-EKD) – hat das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten gem. § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD lediglich zu prüfen und festzustellen, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG-EKD vorliegt.
Das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten geht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes davon aus, dass in den Fällen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines nach dem einschlägigen Tarifrecht ordentlich unkündbaren Mitarbeiters, z. B. im Falle einer Betriebsstilllegung (vgl. BAG, Urt. v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97- , NZA 1998, S. 771 <775 unter 5.>; Urt. v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99 – NZA 2001, S. 219 <219>) das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 42 lit. b i.V.m. §§ 41 Abs. 2 und 3, 38 MVG-EKD ist und § 46 lit. b MVG-EKD nicht anzuwenden ist. Denn andernfalls käme es zu einem Wertungswiderspruch: Die Rechte der Mitarbeitervertretung werden bei "unkündbaren" Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schwächer ausgestaltet als bei kündbaren (ebenso: KGH-EKD, Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten, Beschlüsse v. 12.9.2005 – II 0124/L 42-05 – ZMV 2006, 31 < BAG, Urt. v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97 - BAGE 88, S. 10 <15> = NZA 1998, 771 <773 unter Gründe II 3 b> = juris Rn. 21 32>; 14.1.2008 - II-0124/N 52-07 -, Homepage EKD, Mitarbeitervertretungsrecht, Rspr. KGH - Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten; Fey/Rehren, MVG-EKD, § 46 - Stand: Juli 2008 - Rn. 15a). Hiervon sind vorliegend auch die Beteiligten ausgegangen.
2. Nach der Überzeugung des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten ist die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K vorliegend nicht berechtigt, ihre Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist der Mitarbeiterin M zu verweigern, da ein Verweigerungsgrund nach § 41 Abs. 2 MVG-EKD nicht gegeben ist. Das Kirchengericht vermag nicht festzustellen, dass die beabsichtigte Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift verstößt.
a) Das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin mit der Mitarbeiterin M kann nur im Wege einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB beendet werden, weil gegenüber dieser Mitarbeiterin tarifvertraglich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.
aa) Die Mitarbeiterin M ist nach § 27 Abs. 3 KAT ordentlich unkündbar, da sie länger als 15 Jahre bei der Antragstellerin beschäftigt ist und das 40. Lebensjahr vollendet hat.
bb) Nach § 27 Abs. 4 Satz 1 KAT ist der Anstellungsträger - ebenso wie die Arbeitnehmerin - berechtigt, das Arbeitsverhältnis im Rahmen des § 626 BGB außerordentlich zu kündigen. Danach ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich auch aus betriebsbedingten Gründen zulässig.
Die seit dem 1.4.2007 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAT (§ 32 Abs. 1) - anzuwendende Norm des § 27 Abs. 4 Satz 1 KAT unterscheidet sich insoweit erheblich von der früheren, bis zum 31.3.2007 auf kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Angestelltenverhältnis anzuwendenden Regelung der §§ 53 Abs. 3, 55 Absätze 1 und 2 Unterabs. 1 KAT-NEK. Denn gem. § 55 Abs. 1 KAT-NEK konnte dem nach § 53 Abs. 3 KAT-NEK ordentlich unkündbaren Mitarbeiter nur aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden. Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 KAT-NEK berechtigten andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters entgegenstehen, den Arbeitgeber nicht zur außerordentlichen Kündigung. In diesen Fällen konnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen.
(1) Nach Auffassung des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten trägt die Regelung des § 27 Abs. 4 Satz 1 KAT rechtlichen Bedenken Rechnung, die hinsichtlich tariflicher Beschränkungen des außerordentlichen Kündigungsrechts nach § 626 BGB bei Dauerschuldverhältnissen bestehen. Das BAG hatte in der Vergangenheit schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund in einem Dauerschuldverhältnis nicht völlig beseitigt werden könnte und deshalb Fälle denkbar seien, in denen auch im Rahmen des mit § 55 KAT-NEK inhaltsgleichen § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen könne (BAG, Urteile v. 5.2.1998 - 2 AZR 227/97 – BAGE 88, S. 10 <15> = NZA 1998, 771 <773 unter Gründe II 2 b> = juris Rn. 17 ; 27.6.2002 - 2 AZR 367/01 -.AP Nr. 4 zu § 55 BAT <Gründe II 3 a> = juris Rn.20; 13.6.2002 – 2 AZR 391/01 -, NZA 2003, S. 44 <47 unter Gründe B I 2 c> = juris Rn. 30; ebenso: KR-Fischermeier, 8. Aufl. 2007, § 626 BGB Rn. 57; Kiel, in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007, § 626 BGB Rn. 318m; ähnlich Preis, in Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. 2005, Rn. 331 bis 335, 831.).
(2) Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB gegenüber einem nach § 27 Abs. 3 KAT ordentlich unkündbaren Mitarbeiter sind nach Auffassung des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten ganz erheblich. Es ist insoweit ein besonders strenger Prüfungsmaßstab anzulegen.
Schon nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine - hier tariflich ausgeschlossene - ordentliche Kündigung nur aus dringenden betrieblichen Erfordernissen möglich und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers muss, soweit möglich - ggf. nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen - an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb / in derselben Dienststelle erfolgen.
Dringende betriebliche Erfordernisse können regelmäßig nur eine ordentliche Arbeitgeberkündigung nach § 1 KSchG rechtfertigen. Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung eines tarifrechtlich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann daher nur ausnahmsweise zulässig sein. Denn zu dem vom Arbeitgeber zu tragenden Unternehmerrisiko zählt auch die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kann dem Arbeitgeber aber insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist und der Arbeitgeber deshalb dem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hin sein Gehalt zahlen müsste, obwohl er z. B. wegen Betriebsstilllegung für dessen Arbeitskraft keine Verwendung mehr hat (BAG, Urt. v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97 - BAGE 88, S. 10 <15> = NZA 1998, 771 <773 unter Gründe II 3 b> = juris Rn. 21 zu § 17 Abs. 4 des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft, der inhaltlich weitgehend § 27 Abs. 4 Satz 1 KAT entspricht, mit weiteren Nachweisen aus der Rspr. des BAG, sowie Urt. v. 13.6.2002 – 2 AZR 391/01 -, NZA 2003, S. 44 <47 unter Gründe B I 2 c> = juris Rn. 30. – Ebenso: Dörner/Kiel, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007, § 626 BGB Rn. 318b; KR-Fischermeier, 8. Aufl. 2007, § 626 BGB Rn. 301a).
b) In Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze (unter <a bb (2)>) geht das Kirchengericht davon aus, dass vorliegend ein besonderer Ausnahmefall gegeben ist.
aa) Das Kirchengericht geht davon aus, dass vorliegend die Voraussetzungen für eine „ordentliche“ betriebsbedingte Kündigung vorliegend gegeben sind.
(1) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist.
Grundlage der betriebsbedingten Kündigung sind betriebsbezogene Umstände oder Vorgänge, die von der Person des betroffenen Arbeitnehmers unabhängig sind. Aufgrund einer „freien unternehmerischen Entscheidung“ entfällt der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich. Das allein rechtfertigt jedoch noch nicht eine Kündigung, vielmehr muss hinzukommen, dass der betroffene Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Nur unter dieser weiteren Voraussetzung kann eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein (in diesem Sinne: KR-Griebeling, 8. Aufl. 2007, § 1 KSchG Rn. 545; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl. 2002, § 1 Rn. 364a; Kiel, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007, § 1 KSchG Rn. 579; Reinhard, in: Thüsing/Laux/Lembke, KSchG, 2007, § 1 Rn. 677).
Jeder betriebsbedingten Kündigung liegt eine unternehmerische Entscheidung zugrunde, mit welcher der Arbeitgeber auf bestimmte inner- oder außerbetriebliche Ursachen reagiert (vgl. Preis, in: Stahlhacke/ Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. 2005, Rn. 940). Aufgrund einer Analyse der Lage des Unternehmens erfolgen unternehmerische Zielsetzungen und Planungen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet, die zu konkreten unternehmerischen Entscheidungen führen. Solche Entscheidungen können z. B. die Zusammenlegung von Abteilungen, die Stillegung des Betriebes oder eines Betriebsteiles sein (vgl. Kiel, in: Ascheid/Preis/Schmidt, a.a.O. § 1 KSchG Rn. 535, 562; v.Hoyningen-Huene/Lincke a.a.O. Rn. 366, 367 m.w.N.).
Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung muss den Beschäftigungsbedarf grundsätzlich auf Dauer entfallen lassen (Preis a.a.O. Rn. 971; KR-Griebeling, 8. Aufl. 2007, § 1 KSchG Rn. 581; Kiel a.a.O. § 1 KSchG Rn. 498).
Die unternehmerische Entscheidung im vorgenannten Sinne unterliegt nach allgemeiner Ansicht nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle, nämlich nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (in diesem Sinne: KR-Griebeling a.a.O. § 1 KSchG Rn. 556; Preis a.a.O. Rn. 948; Reinhard, in: Thüsing/Laux/Lembke, KSchG, 2007, § 1 Rn. 628.; BAG, Urt. v. 7.6.1999 - 2 AZR 522/98 -, NZA 1999, 1095 <1096 unter II 1 a> = juris Rn. 14 - jeweils m.w.N.).
Betriebsänderungen und Änderungen des Arbeitsablaufs sind innerbetriebliche Organisationsentscheidungen, die von den Gerichten nur darauf überprüft werden, ob sie rechtsmissbräuchlich ergriffen werden (sollen). Hierzu gehören sämtliche betriebliche Maßnahmen organisatorischer, wirtschaftlicher oder technischer Art, die sich auf den Beschäftigungsbedarf auswirken (in diesem Sinne: Preis a.a.O. Rn. 967; Reinhard, in: Thüsing/Laux/Lemke a.a.O. § 1 Nr. 640; KR-Griebeling a.a.O. § 1 KSchG Rn. 598). Eine kündigungsrechtlich hinzunehmende arbeitsorganisatorische Entscheidung kann auch darin bestehen, dass die bisherigen Aufgaben / Tätigkeiten eines Arbeitnehmers durch entsprechende Aufgabenübertragung von anderen Arbeitnehmern wahrgenommen werden (Preis a.a.O.; KR-Griebeling a.a.O.).
(2) Die vorstehenden Rechtsgrundsätze sind hier eingehalten worden.
Die unternehmerische Entscheidung des Kirchenvorstandes der Kirchengemeinde G, die Stelle der Gemeindesekretärin im Stellenplan 2008 zu streichen (Beschluss vom 9.1.2008) und auch auf absehbare Zeit nicht wieder einzurichten, ist nach der Überzeugung des Kirchengerichts nicht rechtsmissbräuchlich.
(2.1) Das Kirchengericht ist aufgrund des glaubhaften Vorbringens der Antragstellerin, dem die Mitarbeitervertretung K nicht entgegengetreten ist, davon überzeugt, dass der Entscheidung des Kirchenvorstands keine sachfremden Motive zu Grunde liegen. Pastor P, der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, hat in der mündlichen Verhandlung am 18.12.2008 im Einzelnen glaubhaft dargelegt, dass die Antragstellerin aufgrund der längeren, krankheitsbedingten Fehlzeiten der Gemeindesekretärin gezwungen war, deren Tätigkeiten durch organisatorische Maßnahmen anderweitig zu erbringen. Die Schreibarbeiten (Anmeldungen von Teilnehmern für Freizeiten, Ausflüge, Gruppenveranstaltungen; das Erstellen von Vorlagen für Gottesdienste, Konzerte und Veranstaltungsprogramme; das Bearbeiten von Textbeiträgen sowie die Korrespondenz mit dem Kirchenvorstand und Einladungen für die Kirchenvorstandssitzungen) wurden weitgehend durch Pastor P und Pastorin Pin erbracht. Aufgrund des in der Kirchengemeinde seit längerem praktizierten Konzepts der „Offenen Kirche", bei der Pastorin Pin ihr Büro im Kirchengebäude hat, konnten und können sich alle Gemeindeglieder mit ihren jeweiligen Anliegen unmittelbar an Pastorin Pin wenden. Pastor P hat sein Büro im Pastorat unmittelbar neben der Kirche, so dass auch er ohne Schwierigkeiten von den Gemeindegliedern aufgesucht werden kann. Beide Pastoren sind somit zumindest in gleichem zeitlichen Umfang persönlich und telefonisch zu erreichen, wie es bei der bisher mit 19,25 Wochenstunden beschäftigten Gemeindesekretärin M möglich war.
Da beide Pastoren mit den heute üblichen (modernen) Kommunikations- und Bürotechniken vertraut sind und über Personalcomputer (PC) bzw. Laptop verfügen, konnten und können sie ohne Schwierigkeiten die vorgenannten Schreib- und Verwaltungstätigkeiten erbringen, die bisher zu den Aufgaben der Gemeindesekretärin gehörten.
Desgleichen hat die Antragstellerin schriftlich und in der mündlichen Verhandlung am 18.12.2008 ergänzend dargelegt, dass die Kirchengemeinde G den Gemeindehaushalt nur dadurch zum kirchengesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich bringen kann, wenn sie entsprechende Beträge der Haushaltsausgleichsrücklage der Kirchengemeinde entnimmt; im Haushaltsjahr 2008 ist dies ein Betrag von 27.900.-- EUR. Für das Kirchengericht ist es daher ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die sich voraussichtlich weiterhin verschlechternde Finanzsituation - unter Zugrundelegung eines Ausgleichsbetrages von jährlich 27.900.-- EUR wird die gegenwärtige Haushaltsausgleichsrücklage <Stand: 31.12. 2008> in Höhe von 82.820 EUR voraussichtlich per 31.12.2011 aufgebraucht sein - zu Einsparungen gezwungen ist.
Die unter Einbeziehung der vorgenannten Umstände getroffene Entscheidung des Kirchenvorstandes G, die Stelle der Gemeindesekretärin zu streichen, ist daher als unternehmerische Entscheidung hinzunehmen, da nicht ersichtlich ist, dass sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, ob auch andere Lösungen zur Einsparung von Finanzmitteln in der Kirchengemeinde denkbar sind.
(2.2) Der Beschluss des Kirchenvorstandes vom 5.3.2008, mit der die in Rede stehende unternehmerische Entscheidung (Stellenstreichung) umgesetzt wurde, nämlich der Mitarbeiterin M aus betriebsbedingten Gründen außerordentlich (mit sozialer Auslauffrist) zu kündigen, ist sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Absätze 2 und 3 KSchG. Denn ein gleichwertiger freier Arbeitsplatz steht in der Kirchengemeinde G weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft zur Verfügung (es gibt nur eine Stelle als Gemeindesekretärin). Die Pflicht zur Sozialauswahl der Antragstellerin besteht vorliegend nicht, da kein anderer gleichwertiger Arbeitsplatz, für den die Mitarbeiterin M nach ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen geeignet ist, in der Kirchengemeinde vorhanden ist. Die Mitarbeitervertretung hat insoweit auch keinen Arbeitsplatz konkret benannt. Darüber hinaus besteht kein Arbeitsplatz in der Kirchengemeinde, für den die Mitarbeiterin M nach entsprechenden zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen geeignet wäre. Auch insoweit hat die Mitarbeitervertretung keine konkreten Hinweise gegeben.
Schließlich gibt es in der Kirchengemeinde G auch keinen sonstigen freien Arbeitsplatz, auf dem die Mitarbeiterin M unter geänderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden könnte.
bb) Nach den oben genannten Grundsätzen ist jedoch eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung eines an sich unkündbaren Mitarbeiters nach § 626 BGB nur zulässig, wenn eine besondere Ausnahmesituation vorliegt (s. oben a. bb (2) <S. 7 f.>). Diese ist nach der Überzeugung des Kirchengerichts vorliegend aus den nachfolgenden Erwägungen gegeben:
(1) Nach Auffassung des Kirchengerichts ist die Antragstellerin ihrer im Falle einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen eines tarifrechtlich ordentlich unkündbaren Mitarbeiters (§ 27 Abs. 4 Satz 1 KAT) bestehenden Verpflichtung, nach möglichen freien Stellen, die seiner bisherigen Tätigkeit entsprechen, oder nach anderweitigen freien Stellen, die der Qualifikation des unkündbaren Mitarbeiters - zumindest weitgehend - entsprechen, zu suchen (vgl. die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 KSchG für den Bereich des öffentlichen Dienstes im Falle einer "ordentlichen betriebsbedingten Kündigung") in ausreichender, rechtlich nicht zu beanstandender Weise nachgekommen.
Das Kirchengericht ist aufgrund der gesamten schriftlichen und insbesondere mündlichen Ausführungen der Antragstellerin in der Verhandlung am 18.12.2008 (s. Protokoll S. 2) davon überzeugt, dass sie sich intensiv darum bemüht hat, für die Mitarbeiterin M in anderen benachbarten Kirchengemeinden oder Kirchengemeinden am Wohnort der Mitarbeiterin M sowie kirchlichen Einrichtungen und über die zentrale Nordelbische Stellenbörse eine freie Stelle als Gemeindesekretärin oder für eine Tätigkeit, die der Qualifikation der Mitarbeiterin M aufgrund ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen entspricht, zu finden, allerdings ohne Erfolg. Die Antragstellerin hat damit alles ihr Zumutbare unternommen, um eine anderweitige Beschäftigung für die Mitarbeiterin M außerhalb der Kirchengemeinde G zu finden.
(2) Der Kirchengemeinde G ist es nicht zuzumuten, der Mitarbeiterin M, für die ein anderer freier Arbeitsplatz weder in der Kirchengemeinde zur Verfügung steht noch durch Umorganisation geschaffen werden kann und für die auch keine anderweitige Beschäftigung im kirchlichen Bereich gefunden werden konnte, Gehaltszahlungen für ein sinnentleertes – weil beschäftigungsloses – Arbeitsverhältnis bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze gem. § 28 Abs. 1 Alternative 2 KAT (Vollendung des 67. Lebensjahres) zu erbringen, also über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren (vgl. BAG, Urt. v. 5.2.1998 - 2 AZR 227/97 – NZA 1998, 771 <774 unter II 3 g der Gründe> = juris Rn. 28 , in dem es für unzumutbar angesehen wurde, wenn der Arbeitgeber noch für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren Gehaltszahlungen ohne gleichzeitige Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin zu erbringen hätte). Das Kirchengericht geht von dem vorgenannten Zeitpunkt der tarifgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Mitarbeiterin M aus, da ein früherer Zeitpunkt - gem. § 28 Abs. 1 Alternative 1 - mangels näherer Angaben der Beteiligten nicht ersichtlich ist.
(3) Die Antragstellerin ist schließlich zutreffend davon ausgegangen, dass sie bei der beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung der ordentlich unkündbaren Mitarbeiterin M die ansonsten bei einer ordentlichen Kündigung einzuhaltende Kündigungsfrist nach § 27 Abs. 2 KAT von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres einzuhalten hat. Denn dies gebietet der Zweck der besonderen Sicherung des Arbeitsplatzes. Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, den Arbeitnehmer mit besonderem tariflichen Kündigungsschutz durch eine fristlose Kündigung schlechter zu stellen als den Arbeitnehmer, dem gegenüber eine ordentliche Kündigung zulässig ist und dem aus demselben Kündigungsgrund nur ordentlich gekündigt werden könnte (ebenso: Dörner, in: Ascheid/Preis/Schmidt a.a.O. § 626 BGB Rn. 41; KR-Fischermeier a.a.O. § 626 BGB Rn. 304; BAG, Urt. v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97 - BAGE 88, S. 10 <15> = NZA 1998, 771 <773 unter Gründe II 3 c> = juris Rn. 22).
c) Der Umstand, dass gegenwärtig, d. h. zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 18.12.2008, kein vollziehbarer Bescheid des Integrationsamtes der Freien und Hansestadt Hamburg nach §§ 85, 91 SGB IX (vgl. § 91 i.V.m. §§ 88 Abs. 3, 91 Abs. 5 SGB IX) für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung der schwerbehinderten Mitarbeiterin M vorliegt - der Bescheid des Integrationsamtes vom 15.4.2008 entfaltet keine rechtliche Wirkung mehr -, führt nicht dazu, dass die Mitarbeitervertretung K ihre Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung verweigern darf. Denn die Antragstellerin kann das erforderliche Zustimmungsverfahren nach §§ 85, 91 SGB IX auch noch nach Abschluss des vorliegenden Antragsverfahrens durchführen. Die Mitarbeitervertretung braucht dazu nicht erneut gehört zu werden, es sei denn, der Sachverhalt hat sich zwischenzeitlich grundlegend geändert (ebenso: KGH-EKD, Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten, Beschluss vom 12.9.2005 - II-0124/L42-05 - Homepage EKD, Mitarbeitervertretungsrecht, Rspr. KGH - Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten <unter Gründe 4.> = ZMV 2006, 31 <32>; KR-Etzel a.a.O. Vor §§ 85-92 SGB IX Rn. 35, § 91 SGB IX Rn. 30e; Vossen, in Ascheid/Preis/Schmidt a.a.O. § 91 SGB IX Rn. 22). Vorliegend hat die Antragstellerin nach eigenen Angaben im Dezember 2008 erneut einen entsprechenden Antrag beim Integrationsamt der Freien und Hansestadt Hamburg gestellt.

III.

Der Beschluss ist für die Beteiligten gem. § 60 Abs. 8 Satz 1 MVG-EKD verbindlich.
gez. Kalitzky
(Vorsitzender Richter)