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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:27.10.2005
Aktenzeichen:1 KG 15/2005
Rechtsgrundlage:MVG-EKD:
§ 42 lit. c)
§ 60 Abs. 5
KTD (NEK):
§ 14 Absatz 1
EntgeltO zum KTD:
Entgeltgruppen E 8 und E 9
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:


Eingruppierung von Sozialpädagogen/Sozialarbeitern in einer Einrichtung für wohnungslose Männer nach der KTD-EntgeltO
Maßgebliche Kriterien für die Abgrenzung der Entgeltgruppen E 8 und E 9 Entgeltordnung (Anlage 1 zum Kirchlichen Tarifvertrag Diakonie – KTD – vom 15.08.2002 <GVOBl. S. 317 ff.>)
Nach der KTD-EntgeltO sind Arbeitnehmerinnen mit umfassenden Fachkenntnissen und entsprechender Tätigkeit in die Entgeltgruppe E 8, Abteilung A, grundeingruppiert. Umfassende Fachkenntnisse werden nach der Erläuterung durch eine abgeschlossene Fachhochschulausbildung erworben. Dies trifft u. a. für Sozialpädagogen mit entsprechendem Examen an einer Fachhochschule zu, wie sich aus den in der Abteilung A genannten Beispielen ergibt. Diese Voraussetzungen liegen auch bei Sozialarbeitern mit Fachhochschulabschluss vor.
In die Entgeltgruppe E 9, Abteilung A, werden Arbeitnehmerinnen der Entgeltgruppe E 8 „mit schwierigen fachlichen Tätigkeiten“ eingruppiert. Nach der gegebenen Erläuterung kann sich die „Schwierigkeit“ insbesondere aus der Kompliziertheit der Aufgabe oder aus geforderten Spezialkenntnissen ergeben. Als Beispiele werden genannt:
• Lehrkraft an Alten-, Kinder- und Krankenpflegeschulen
• Sozialpädagogin in psychiatrischen Einrichtungen
• Sozialpädagogin in der Suchtkrankenhilfe.
Die in der Entgeltordnung Entgeltgruppe E 9 Abteilung A gegebenen Beispiele für „schwierige fachliche Tätigkeiten“ sind nicht abschließend. Wenn aus den Beispielen jedoch bei normalem/gewöhnlichem Sprachverständnis bestimmte gemeinsame Merkmale erkennbar sind, können nicht ausdrücklich erwähnte Tätigkeiten der in Rede stehenden Entgeltgruppe nur dann unterfallen, wenn sie ebenfalls das „verbindende“ Merkmal erfüllen.

Tenor:

Es wird gem. § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund hat, die Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Sozialpädagogen/Sozialarbeiter im X-Haus in die Entgeltgruppe E 8 KTD (§ 42 lit. c) MVG-EKD) gem. § 41 Abs. 1 MVG-EKD zu verweigern.

Gründe:


I.

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die zutreffende Eingruppierung der im X-Haus beschäftigten Sozialpädagogen und Sozialarbeiter nach der Entgeltordnung zu § 14 Kirchlicher Tarifvertrag Diakonie (KTD) vom 15.08.2002 (GVOBl. S. 317) mit späteren Änderungen; zuletzt geändert durch Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum KTD vom 20.12.2004 (GVOBl. 2005, S. 122) - Anlage 1 zum KTD <KTD-EntgeltO> -. Der KTD gilt aufgrund des Tarifvertrages zur Einführung des KTD im Diakoniewerk des Kirchenkreises K vom 13.01.2005 (GVOBl. S. 123) - TV Einführung KTD im DW K - mit Wirkung ab 01.04.2005 u. a. für alle Arbeitnehmerinnen (zur Begriffsbestimmung s. § 1 Abs. 1 KTD), die im X-Haus, einer Einrichtung für wohnungslose Männer, des Diakoniewerkes des Kirchenkreises K angestellt oder tätig sind (§ 1 Satz 1 TV Einführung KTD im DW K).
Der Antragsteller wandte sich im März 2005 an die Mitarbeitervertretung der kirchenkreiseigenen Heime des Kirchenkreises K (zukünftig: Mitarbeitervertretung) wegen der Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen in den kirchenkreiseigenen Heimen (Festsetzung der Entgeltgruppen nach der KTD-EntgeltO). Hinsichtlich der im X-Haus beschäftigten Sozialpädagogen und Sozialarbeiter beantragte er die Zustimmung zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 8. Die Mitarbeitervertretung widersprach mit Schreiben vom 12.04.2005 der beabsichtigten Eingruppierung und vertrat die Auffassung, dass die Sozialpädagogen in die Entgeltgruppe E 9 einzugruppieren seien, da sie eine besonders schwierige Tätigkeit ausübten. Die schwierige fachliche Tätigkeit ergebe sich aus der Betreuung eines Klientels mit psychischen Erkrankungen und Suchtabhängigkeiten.
Das Kollegium der Sozialarbeit des X-Hauses hatte sich bereits mit Schreiben vom 06.04.2005 an die Antragstellerin gewandt und näher dargelegt, aus welchen Gründen man die beabsichtigte Eingruppierung nach E 8 für unrichtig und eine Eingruppierung nach E 9 für sachgerecht halte. Auf dieses Schreiben, das auch der Mitarbeitervertretung zur Kenntnis gegeben wurde, wird Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragte mit Antragsschrift vom 21.04.2005, die am 22.04.2005 beim Kirchengericht einging, unter anderem die Feststellung, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt sei, ihre Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der im X-Haus beschäftigten Sozialpädagogen und Sozialarbeiter in die Entgeltgruppe E 8 gem. KTD-EntgeltO zu verweigern. Die KTD-EntgeltO habe in der Entgeltgruppe E 9 die in VergGr IVb der Abteilung 24 VergO KAT-NEK genannten Tätigkeiten nicht in Gänze übernommen, sondern nur einige. Die von den Sozialpädagogen/Sozialarbeitern im X-Haus ausgeübten Tätigkeiten unterschieden sich von den Aufgaben/Anforderungen her nicht von jenen, die Sozialpädagogen/Sozialarbeiter in anderen Einrichtungen des Diakoniewerkes (Evangelische Jugendhilfe und Y-Haus) zu erfüllen hätten. Der von der Antragstellerin beabsichtigten Eingruppierung dieser Mitarbeiter in die Entgeltgruppe E 8 habe die Mitarbeitervertretung zugestimmt.
Die Mitarbeitervertretung hält an ihrer Auffassung fest, dass die in Rede stehenden Mitarbeiter wegen der von ihnen wahrzunehmenden schwierigen fachlichen Tätigkeiten in die Entgeltgruppe E 9, Abteilung A, einzugruppieren seien. Dies ergebe sich daraus, dass die betroffenen Mitarbeiter nach der bis zum 31.03.2005 für sie geltenden Vergütungsordnung zum KAT-NEK in die VergGr IVb, Fallgruppe a, der Abteilung 24, grundeingruppiert gewesen seien. Nach der insoweit maßgeblichen Protokollnotiz Nr. 9 zur Abteilung 24 seien „schwierige fachliche Tätigkeiten“ u. a. bei der Beratung von Suchtmittelabhängigen (Buchstabe a) und bei Nichtsesshaften-, Straffälligen- und anderer Gefährdetenhilfe (Buchstabe i) gegeben.
Die Sach- und Rechtslage ist mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert worden.

II.

1. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Eingruppierung der im X-Haus beschäftigten Sozialpädagogen und Sozialarbeiter in die Entgeltgruppe E 8 gem. KTD-EntgeltO ist nach der Überzeugung des Kirchengerichts tarifrechtlich zutreffend. Die Mitarbeitervertretung ist daher nicht berechtigt, die erforderliche Zustimmung gem. § 41 Abs. 1 lit. a) MVG-EKD zu verweigern.
Für das Kirchengericht sind die nachfolgenden Erwägungen maßgeblich.
a) Nach der KTD-EntgeltO sind Arbeitnehmerinnen mit umfassenden Fachkenntnissen und entsprechender Tätigkeit in die Entgeltgruppe E 8, Abteilung A, grundeingruppiert. Umfassende Fachkenntnisse werden nach der Erläuterung durch eine abgeschlossene Fachhochschulausbildung erworben. Dies trifft u. a. für Sozialpädagogen mit entsprechendem Examen an einer Fachhochschule zu, wie sich aus den in der Abteilung A genannten Beispielen ergibt. Diese Voraussetzungen liegen auch bei Sozialarbeitern mit Fachhochschulabschluss vor.
In die Entgeltgruppe E 9, Abteilung A, werden Arbeitnehmerinnen der Entgeltgruppe E 8 „mit schwierigen fachlichen Tätigkeiten“ eingruppiert. Nach der gegebenen Erläuterung kann sich die „Schwierigkeit“ insbesondere aus der Kompliziertheit der Aufgabe oder aus geforderten Spezialkenntnissen ergeben. Als Beispiele werden genannt:
Lehrkraft an Alten-, Kinder- und Krankenpflegeschulen
Sozialpädagogin in psychiatrischen Einrichtungen
Sozialpädagogin in der Suchtkrankenhilfe.
b) Die im X-Haus beschäftigten Sozialpädagogen und Sozialarbeiter unterfallen nicht den vorgenannten Beispielen.
Das Kirchengericht vermag unter Berücksichtigung der von den Vertretern der Dienststellenleitung in der mündlichen Verhandlung ausführlich geschilderten Aufgaben dieser Mitarbeiter, denen die Vertreter der Mitarbeitervertretung nicht widersprochen haben, nicht festzustellen, dass die betroffenen Sozialpädagogen und Sozialarbeiter Tätigkeiten von vergleichbarer Schwierigkeit, wie im Beispielkatalog genannt, ausüben.
Im X-Haus gibt es drei Fachbereiche:
(a) Stationäres Wohnen für insgesamt 18 Monate für aus dem Strafvollzug entlassene Männer oder obdachlose Männer von der Straße (insgesamt etwa 40 Betreute), die intensiv betreut werden und lernen müssen, eigenständig zu wohnen und sich selbst in einer Wohnung zu organisieren (z. B. Saubermachen, Kochen, Einkaufen); Hilfe bei Behördengängen, Arztbesuchen pp. - Einsatz von fünf Sozialpädagogen.
(b) Dezentrales Wohnen für Männer, die für ein Jahr in etwa 25 (angemieteten) Wohnungen des Kirchenkreises K betreut werden - Einsatz von drei Sozialarbeitern.
(c) Nachgehende Betreuung - 1,5 Stellen Sozialpädagogen.
Alle im X-Haus aufgenommenen oder von den dort beschäftigten Sozialpädagogen/Sozialarbeitern betreuten Männer sind Suchtkranke (Alkohol- und/oder Drogenkranke) und zumeist HIV-Infizierte; viele haben außerdem Hepatitis. Ein Großteil der betreuten Männer ist hochverschuldet und hat in der Regel keine Verbindung mehr zu seiner Herkunftsfamilie.
Spezielle Suchttherapien werden von den im X-Haus beschäftigten Sozialpädagogen und Sozialarbeitern jedoch nicht angeboten, sondern nur entsprechende Einrichtungen an die Klientel vermittelt.
Das Kirchengericht verkennt nicht, dass die übertragenen und wahrzunehmenden Tätigkeiten anspruchsvoll und möglicherweise wegen der ständigen Konfrontation mit schwierigen menschlichen Schicksalen auch belastend sind. Gleichwohl rechtfertigt dies nach der Überzeugung des Gerichts nicht die Annahme, dass es sich um schwierige fachliche Tätigkeiten im eingangs genannten Sinne handelt. Denn die für die Eingruppierung nach Entgeltgruppe E 9 geforderte „Schwierigkeit“ ergibt sich nach den getroffenen Feststellungen weder aus der Kompliziertheit der Aufgabe noch aus erforderlichen Spezialkenntnissen. Die wahrzunehmenden Aufgaben können nach der Überzeugung des Kirchengerichts von einem Sozialpädagogen/Sozialarbeiter aufgrund seiner durch die Fachhochschulausbildung erworbenen Kenntnisse – nach einer Einarbeitungsphase – erbracht werden. Die in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreter der Mitarbeitervertretung haben insoweit keine Umstände benannt, die diese tariflichen Anforderungen belegen. Sie folgen auch nicht aus dem Schreiben des Kollegiums Sozialarbeit des X-Hauses vom 06.04.2005.
Die Bezugnahme der Mitarbeitervertretung auf die bisherige Regelung in VergGr IVb, Fallgruppe a, einschließlich der Protokollnotiz Nr. 9 der Abteilung 24 VergO zum KAT-NEK führt nicht weiter. Für das Kirchengericht ist nicht ersichtlich, dass die KTD-EntgeltO in der Entgeltgruppe E 9 die bisherige tarifrechtliche Einordnung der Abteilung 24 VergO zum KAT-NEK, insbesondere der VergGr IVb, übernehmen wollte.
Hieran ändern auch die im Schreiben des vkm Nordelbien vom 17.10.2005 gemachten Hinweise auf die Motive und Absichten bei der Formulierung der KTD-EntgeltO nichts. Es ist zwar zutreffend, dass in einer Vergütungsordnung/Entgeltordnung gegebene Beispiele für gemeinte Tätigkeiten nicht abschließend sind. Wenn aus den Beispielen jedoch bei normalem/gewöhnlichem Sprachverständnis bestimmte gemeinsame Merkmale erkennbar sind, können nicht ausdrücklich erwähnte Tätigkeiten der in Rede stehenden Vergütungsgruppe/Entgeltgruppe nur dann unterfallen, wenn sie ebenfalls das „verbindende“ Merkmal erfüllen.
Die von den Mitarbeitern des X-Hauses wahrgenommenen Tätigkeiten, wie sie von den Vertretern der Dienststellenleitung in der mündlichen Verhandlung beschrieben worden sind, mögen zwar den Buchstaben a, b und i der Protokollnotiz Nr. 9 zur Abteilung 24 VergO KAT-NEK entsprechen; gemeinsame Merkmale mit den bei der Entgeltgruppe E 9 genannten Beispielen vermag das Kirchengericht aber nicht festzustellen.
Wenn es tatsächlich die Absicht der Tarifvertragsparteien des KTD gewesen sein sollte, die bisherigen Eingruppierungen nach der VergO KAT-NEK unverändert zu lassen, insbesondere bei den Tätigkeiten der Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, wie der vkm Nordelbien in dem bereits erwähnten Schreiben meint, hat dies bei der konkreten Formulierung der Entgeltgruppe E 9, Abteilung A, keinen Niederschlag gefunden.
Das Kirchengericht ist bei der Auslegung einer Tarifnorm regelmäßig an den geschriebenen Tariftext gebunden; besondere Umstände, die vorliegend etwas anderes gebieten, sind nicht ersichtlich.

III.

Der Beschluss ist für die Beteiligten gem. § 60 Abs. 8 Satz 1 MVG-EKD verbindlich.
gez. Kalitzky
(Vorsitzender Richter)