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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:21.02.2022
Aktenzeichen:NK-MG 5 19/2021 DWHH
Rechtsgrundlage:§ 14 KTD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

Es ist nicht Voraussetzung, dass die Beschäftigte alle Tätigkeiten, die die Facharztqualifikation umfasst, tatsächlich zu erbringen hat. Es ist ausreichend, wenn sie mit entsprechenden Tätigkeiten in ihrem Fachgebiet beschäftigt wird, die über das normal ärztliche Spektrum hinaus gehen.

Tenor:

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin unterhält als Dienststelle in H ein Suchttherapiezentrum, zu dem unter anderem eine Fachklinik für spezifische psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung suchtkranker Menschen gehört. In dieser Klinik wird u. a. die Ärztin F mit 30 Wochenstunden beschäftigt.
In einem Schreiben des Verwaltungsleiters der Dienststelle vom 19.09.2006 lautet es u. a.
„Mit der Einstellung von Frau F befolgen wir einen dringenden Hinweis der LVA-Hamburg, wonach die RV-Träger es sehr gern sehen, dass Kliniken auch Internisten beschäftigen. Frau F soll beide Bereiche, also Fach- und Tagesklinik, medizinisch-internistisch versorgen, während darüber hinausgehende ärztliche Bedarfe von [..] abgedeckt werden.“
Nach Einführung der Abteilung 5 der Entgeltordnung zu § 14 KTD bat die Antragstellerin die Mitarbeitervertretung um Zustimmung zu der Umgruppierung der Ärztin F in die Entgeltgruppe Ä1.
Abteilung 5 „Ärztlicher Dienst“ lautet
Diese Abteilung gilt für Arbeitnehmerinnen im Geltungsbereich der Anlage 5 Nr. 1. Die Entgeltgruppen der Arbeitnehmerinnen ergeben sich wie folgt:
Entgeltgruppe Ä1 – Ärztin mit entsprechenden Tätigkeiten
Entgeltgruppe Ä2 – Fachärztin mit entsprechenden Tätigkeiten in ihrem Fachgebiet
Entgeltgruppe Ä3 – Oberärztin
Die Antragsgegnerin und Mitarbeitervertretung der Antragstellerin (MAV) bat um Erörterung.
Mit Schreiben vom 12.08.2021 teilte die MAV mit, dass die Zustimmung zu der Eingruppierung verweigert wird.
Mit Schreiben vom 23.08.2021 hat die Dienststelle das vorliegende Verfahren eingeleitet.
Die Dienststelle ist der Ansicht, dass die MAV die Zustimmung zu Unrecht verweigert habe. Es sei zwar unstreitig, dass die Ärztin F die Facharztqualifikation habe, jedoch fehle es mit Blick auf die zur Beschäftigung in der Fachklinik der Dienststelle getroffenen Vereinbarungen und der sich daraus ergebenden Aufgabenzuweisung an der Ausübung „entsprechender Tätigkeiten in ihrem Fachgebiet“. Die Mitarbeiterin habe nach den ihr zugewiesenen Tätigkeiten im Rahmen des Einsatzes für die Fachklinik allenfalls Aufgaben wahrzunehmen, die in das Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie bzw. Psychosomatik und Psychotherapie fielen. Tätigkeiten einer Fachärztin für Allgemeinmedizin würden hingegen nicht anfallen. Die Mitarbeiterin werde vielmehr fachfremd beschäftigt.
Der überwiegende Teil der Tätigkeit der Mitarbeiterin konzentriere sich auf die Aufnahme der Patienten, die Zwischen- und Abschlussuntersuchungen sowie die Durchführung einer ärztlichen Sprechstunde, jeweils nebst Dokumentation. Es handele sich hierbei um schlichte ärztliche Tätigkeiten. Eine Facharztqualifikation werde hier weder verlangt, noch sei diese erforderlich. Die Tätigkeiten würden im Übrigen genauso von einer Kollegin ausgeführt, die keinerlei Facharztqualifikation besitze.
Auch im Rahmen der Einstellung sei dies nicht anders gewesen. Damals hätten andere Eingruppierungsregelungen gegolten. Das Schreiben des Verwaltungsleiters sei der Dienststelle nicht bekannt und im Übrigen auch nicht eingruppierungsrelevant. Die Personalbögen hätte Frau F selbst ausgefüllt.
Die Dienststelle beantragt zuletzt – unter zwischenzeitlicher Erledigung des Verfahrens im Übrigen – noch,
festzustellen, dass für die Antragsgegnerin ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung der Ärztin F in die Entgeltgruppe Ä1 der Entgeltordnung (Abteilung 5) zu § 14 KTD nicht vorliegt.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die MAV ist der Ansicht, dass die Verweigerung zu Recht erfolgt sei. Die Mitarbeiterin F sei unstreitig Fachärztin für Allgemeinmedizin und übe entsprechende Tätigkeiten unter Hinweis auf den Internetauftritt der Dienststelle aus. Dabei werde sie mit medizinischer Diagnostik und Behandlung beschäftigt. Hierbei verweist die MAV auf die einzeln ausgeführten Tätigkeiten, Seite 3 und 4 des Schriftsatzes vom 20.09.2021, auf die Bezug genommen wird. Diese Tätigkeiten machten 80 % ihrer Arbeitszeit aus und seien – unter Hinweis auf eine Beschreibung der Bundesagentur für Arbeit – typische Tätigkeitsmerkmale einer Fachärztin für Allgemeinmedizin. Außerdem habe sie eine Weiterbildung „suchtmedizinische Grundversorgung“ absolviert.
Sie behauptet weiter, die Mitarbeiterin F sei damals in 2006 auch als Fachärztin eingestellt worden. In einem Personalfragebogen sei Frau F als Fachärztin für Allgemeinmedizin geführt worden.
Im Übrigen ist die MAV der Ansicht, dass die Tätigkeiten der Allgemeinmedizin auch gerade abgefordert würden und nicht nur nützlich seien. Die Allgemeinmedizin umfasse nach der Weiterbildungsordnung die lebensbegleitende und hausärztliche Betreuung von Menschen jeden Alters bei der Art der Gesundheitsstörung, unter Berücksichtigung der biologischen, psychischen und sozialen Dimensionen ihrer gesundheitlichen Leiden, Probleme oder Gefährdungen und die medizinische Kompetenz zur Entscheidung über Hinzuziehen anderer Ärzte und Angehöriger von Fachberufen im Gesundheitswesen. Sie umfasse die patientenzentrierte Integration der verschiedenen Hilfen im Krankheitsfall und letztlich Zusammenführung aller medizinisch wichtigen Daten des Patienten. So werde auch Frau F beratend, diagnostisch und behandelnd tätig. Auch wenn die Patienten alle mit einer Suchtproblematik belastet seien, so seien doch auch weitere Erkrankungen, Belastungen und Problematiken vorhanden. Im Rahmen der Patientenaufnahme und -entlassung sowie im Rahmen der ärztlichen Sprechstunde mit allen zusammenhängenden beratenden, diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten, wie die Anamnese-Erhebung, körperliche Untersuchung, Erstellung von Diagnosen, Anordnung von Medikation, Anordnung weitergehender Diagnostik, Einschätzung der Arbeitsfähigkeit etc., seien Tätigkeiten der Fachärztin der Allgemeinmedizin.

II.

1. Es ist nach § 60 Abs. 5 S. 1 MVG-EKD nicht festzustellen, dass ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung nach § 41 MVG-EKD nicht vorgelegen hat.
2. Nach § 41 Abs. 1 MVG-EKD hat die Mitarbeitervertretung ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht und darf die Zustimmung u. a. und hier relevant verweigern, wenn die streitgegenständliche Maßnahme gegen eine Rechtsvorschrift verstößt.
3. Das Verfahren nach § 38 MVG-EKD ist ersichtlich eingehalten worden.
a. Eingruppierung ist die Einordnung einzelner arbeitnehmender Vertragsparteien in ein kollektives Entgeltschema. Bei diesem Vorgang ist zu klären, welchen Merkmalen der im Betrieb geltenden Vergütungsordnung die jeweilige Tätigkeit entspricht. Das verlangt die Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts unter eine vorgegebene Ordnung (vgl. bereits BAG 27. Juli 1993 - 1 ABR 11/93 - BAGE 74, 10, BAG, Beschluss vom 17. April 2003 – 8 ABR 24/02 –, juris). Dieser Vorgang erfolgt im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander. Eine Eingruppierung stellt keine Rechtsgestaltung dar, sondern einen gedanklichen Vorgang. Sie ist ein Akt der Rechtsanwendung und die Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses, dass die von der arbeitnehmenden Vertragspartei zu verrichtenden Tätigkeiten den Tätigkeitsmerkmalen einer bestimmten Vergütungsgruppe entsprechen und daher die arbeitnehmende Vertragspartei in dieser Gruppe einzuordnen ist. An diesem Akt der Rechtsanwendung ist die Mitarbeitervertretung beteiligt. Bei ihrem Mitbestimmungsrecht handelt es sich um ein Mitbeurteilungsrecht im Sinne einer Richtigkeitskontrolle.
b. Ein kollektives Entgeltschema findet in der Dienststelle mit dem KTD Anwendung.
c. Die von der Dienststelle beabsichtigte Eingruppierung bzw. Umgruppierung des streitgegenständlichen Arbeitsverhältnisses mit der Fachärztin für Allgemeinmedizin F in die Entgeltgruppe Ä1 der Abteilung 5 der Anl. 1 zu § 14 KTD ist rechtsfehlerhaft. Die MAV hat die Zustimmung zu Recht verweigert.
d. Das Arbeitsverhältnis ist eingruppiert nach Ä2 der Abteilung 5 der Anl. 1 zu § 14 KTD, da die Mitarbeiterin F nicht lediglich entsprechend mit ärztlichen Tätigkeiten im Sinne der Ä1, sondern entsprechend mit Tätigkeiten in ihrem Fachgebiet beschäftigt wird.
e. Die Tätigkeiten, die die betreffende Mitarbeiterin ausführt, sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Dabei hat die antragstellende Dienststelle, entgegen der ihr zunächst obliegenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast weder im Einzelnen beschrieben, mit welchen Tätigkeiten die Fachärztin F beschäftigt ist, noch weshalb es sich hierbei um schlicht ärztliche Tätigkeiten handelt.
Die Ärztin F selbst hat ihre tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten aufgelistet, die Mitarbeitervertretung hat diese in das Verfahren eingeführt und die Dienststelle hat die Auflistung als zutreffend unstreitig gestellt. Die Dienststelle ihrerseits hat auch im Folgenden weder eine Stellenbeschreibung noch eine konkrete Tätigkeitsübertragung zur Gerichtsakte beschrieben.
f. Aus Sicht der erkennenden Kammer sind die Anforderungen an die Entgeltgruppe Ä2 erfüllt. Die Ärztin F ist unstreitig Fachärztin. Sie wird auch mit entsprechenden Tätigkeiten in ihrem Fachgebiet beschäftigt.
Dabei ist zunächst nicht Voraussetzung, dass die Beschäftigte alle Tätigkeiten, die die Facharztqualifikation umfasst, tatsächlich zu erbringen hat. Die Fachärztin hat nach dem Wortlaut der tariflichen Norm lediglich entsprechende Tätigkeiten in ihrem Fachgebiet zu erbringen.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig geblieben, dass Frau F nicht in der psychologischen Arbeit des Suchtzentrums eingebunden ist. Zwischen den Parteien ist weiter unstreitig geblieben, dass Frau F bei weitem nicht alle Fachkenntnisse einer Fachärztin für Innere Medizin anzuwenden hat. Frau F wird auch nicht als Hausärztin beschäftigt. Sie hat, wie auch die weitere Ärztin, insbesondere die Eingangs- und Ausgangsuntersuchungen der Patient/innen vorzunehmen. Hierbei handelt es sich um ärztliche Tätigkeiten, die die Qualifikation einer Fachärztin für Innere Medizin nicht bedürfen.
Frau F wird jedoch in der Einrichtung auch weitergehend beschäftigt. Sie bietet nach Aktenlage eine feste ärztliche Sprechstunde an, in welcher sie hausarztähnlich tätig wird. Diese ärztliche Sprechstunde ist nicht auf rein psychologische und psychotherapeutische Tätigkeiten angelegt, sondern daneben auf fachärztliche Begleitung anderer Erkrankung bzw. anderer medizinischer Aspekte der allgemeinen Lebensführung, Diätik, Arbeitsfähigkeitsbeurteilungen, etc. Sie erstellt Diagnosen und ordnet weitergehende Diagnostik an. Sie bespricht Ergebnisse und Befunde mit den Patienten sowie Therapien und Ziele. Sie stellt Rezepte und Überweisungen an Fachärzte aus.
Diese Tätigkeiten gehen über das normal ärztliche Spektrum hinaus und in dieser Hinsicht wird Frau F entsprechend ihrer Fachrichtung beschäftigt.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
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Tiemens (Vorsitzender Richter)
Ulbricht (Ehrenamtliche Richterin)
Stier (Ehrenamtliche Richterin)