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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.03.2022
Aktenzeichen:NK-MG 5 6/2022 DWHH
Rechtsgrundlage:§ 2 WahlO-MVG.EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

1. Der Abbruch einer Wahl ist ein erheblicher Eingriff in die Abläufe der Betriebsdemokratie. Eine Wahl ist nur dann abzubrechen, wenn nicht bloße Anfechtbarkeit der Wahl gegeben wäre, sondern eine bereits absehbar nichtige Wahl durchgeführt werden würde.
2. Maßstab der Nichtigkeit einer Wahl ist, dass eine Wahl durchgeführt wird, die nicht einmal mehr den Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl genügt.

Tenor:

1. Die Anträge werden zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über den Abbruch einer laufenden Wahl.
Die Beteiligte zu 4 (= Arbeitgeberin) ist eine kirchliche Stiftung, die insgesamt elf Altenpflegeheime betreibt mit insgesamt 1.222 Pflegeplätzen in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs.
Die Mitarbeitervertretung (= MAV), Beteiligte zu 2 bei der Beteiligten zu 4 unter Vorsitz von Herrn K vertrat bisher neun der elf Einrichtungen. Die Einrichtung N und die Einrichtung M wurden seitens der MAV nicht vertreten.
Die MAV und die Beteiligte zu 1 (= Wahlvorstand) behaupten, die MAV habe mit Beschluss vom 04.01.2022 die Beteiligte zu 1 eingesetzt. Der Wahlvorstand habe sich am 15.02.2022 konstituiert.
In der Einrichtung N habe es zwar eine eigene Vertretung der Mitarbeiterschaft gegeben, die aus Sicht der Antragstellerinnen jedoch nicht rechtmäßig gewesen sei, sie hätten aus der Einrichtung jedoch einen Hilferuf erhalten, weil Mitarbeitende dort auf Druck der Dienststellenleitung ihr Amt niedergelegt hätten und die Stiftung teilweise verlassen hätten. Die MAV reklamiere daher ihren Vertretungsanspruch. Dass in der Einrichtung jemals eines Abstimmung nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD durchgeführt worden sei, werde bestritten. Eine Frau B habe sich zwar im Namen der hauseigenen Mitarbeitervertretung gemeldet und angezeigt, die Mitarbeiterschaft habe in einem ordnungsmäßen Verfahren beschlossen, eine eigene Mitarbeitervertretung haben zu wollen und Wahlen würden am 30.03.2022 stattfinden. Diese Abläufe werden jedoch bestritten und die Wahl sei zu stoppen. In der Einrichtung habe es keine rechtmäßige Mitarbeitervertretung gegeben, der „Wahlausschuss“ sei nicht ordnungsgemäß gebildet, die Durchführung der Wahl beeinflusse auch die durchzuführende Wahl der MAV in den elf Einrichtungen. Die zu verhindernde Wahl werde nichtig sein. Es gäbe bereits keinen Wahlvorstand. Eine Mitarbeiterversammlung i. S. d. § 2 WO habe nicht stattgefunden. Auch sei bereits am 04.01.2022 ein Wahlvorstand durch die MAV eingesetzt worden. Auch die bisher bekannten Umstände der Durchführung der Wahl sprächen für derartige Verstöße gegen die WO, dass von einer Nichtigkeit der Wahl auszugehen ist.
Die Antragsteller zu 1 und 2 beantragen,
der Beteiligte zu 3 (= Wahlausschuss) wird verpflichtet, das zurzeit laufende Wahlverfahren zur Wahl einer Mitarbeitervertretung für das Altenheim N abzubrechen, wobei ihm jede weitere Handlung untersagt wird, die auf die Durchführung der laufenden Mitarbeitervertretungswahl für das Altenheim N gerichtet ist und bekannt zu machen, dass der Wahlgang abgebrochen wird, insbesondere die am 30.03.2022 terminierte Stimmabgabe nicht durchgeführt wird.
Hilfsweise,
der Beteiligte zu 3 wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem Kirchengericht zum Aktenzeichen NK-MG 5 3/2022 DWHH, bei Obsiegen des Beteiligten zu 1 in diesem Verfahren darüber hinaus verpflichtet, das zurzeit laufende Wahlverfahren zur Wahl einer Mitarbeitervertretung für das Altenheim N abzubrechen, wobei ihm jede weitere Handlung untersagt wird, die auf die Durchführung der laufenden Mitarbeitervertretungswahl für das Altenheim N gerichtet ist und bekannt zu machen, dass der Wahlgang abgebrochen wird, insbesondere die am 30.03.2022 terminierte Stimmabgabe nicht durchgeführt wird.
Der Beteiligte zu 3 und die Beteiligte zu 4 beantragen,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 3 hat in der mündlichen Verhandlung durch Frau B erklärt, er habe nach bestem Wissen und Gewissen das Verfahren eingeleitet und durchgeführt, so dass die Wahl nicht abzubrechen sei.
Die Beteiligte zu 4 ist der Ansicht, bereits von Rechts wegen könne die Wahl nicht abgebrochen werden. Es handele sich um die Kontinuität einer Interessenvertretung und im Übrigen auch dem klaren Willen der Belegschaft, eine eigene Mitarbeitervertretung zu haben. Zumindest eine Nichtigkeit der Wahl könne nicht erkannt werden.
Im Ergebnis seien Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nicht gegeben.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Vorsitzenden allein gewesen sind, sowie das Sitzungsprotokoll und die gerichtlichen Beschlüsse Bezug genommen und verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist, auch als Hilfsantrag, unbegründet.
1. Im kirchengerichtlichen Verfahren sind einstweilige Verfügungsverfahren nach § 62 MVG.EKD i. V. m. § 85 ArbGG, § 935 ZPO zulässig.
2. Die Entscheidung durch den Vorsitzenden allein nach § 61 Abs. 10 MVG.EKD ist zulässig. Die Kammer konnte, trotz entsprechender Ladungen, nicht zusammentreten.
3. Die Voraussetzungen einer einstweiligen Entscheidung liegen nicht vor, Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund sind nicht gegeben.
a. Einstweilige Verfügungen auf den Streitgegenstand sind nach § 935 ZPO zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dabei zeichnen sich einstweilige Verfügungen dadurch aus, dass diese auf unsicherer Tatsachengrundlage in Abwägung der Rechtsfolgen zu ergehen haben.
b. Ein Verfügungsanspruch ist nicht gegeben, die bereits für den 30.03.2022 festgesetzte Wahl einer Mitarbeitervertretung in der Einrichtung N ist nicht abzubrechen, sondern durchzuführen.
Eine Wahl wäre nur dann abzubrechen, wenn nicht bloße Anfechtbarkeit der Wahl gegeben wäre, sondern eine bereits absehbar nichtige Wahl durchgeführt werden würde.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes werden Entscheidungen auf unsicherer Tatsachengrundlage getroffen in Ansehung auch der möglichen Konsequenzen des kirchengerichtlichen Eingriffs.
Vorliegend gibt es eine in ihrer Rechtmäßigkeit bestrittene Mitarbeitervertretung in der Einrichtung N, für welche erstmal im Januar 2022 ein Verfahren nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD durchgeführt worden sein soll. Für die Einrichtung ist ein Wahlausschuss bestellt worden, der sich wie ein Wahlvorstand im Sinne der Wahlordnung geriert und Beteiligter dieses Verfahrens ist. Wie dieser Wahlvorstand gebildet worden ist, ob die Wahl den Regeln des § 2 WO entsprechend erfolgt ist, ob die Durchführung der für den 30.03.2022 angesetzten Wahl überhaupt nach den Vorschriften der WO noch durchgeführt werden kann, wenn die dort genannten Ablaufvoraussetzungen bereits heute ersichtlich nicht mehr eingehalten werden können und aktive Maßnahmen in der Einrichtung durch den Wahlvorstand nicht getroffen werden, um ggfs. eine Wahl zu erreichen, die den Vorschriften der WO noch genügen könnten, ist nicht vorgetragen worden. Nach bisherigem Sachstand wird die Wahl vom 30.03.2022 zumindest anfechtbar sein. Dass Frau B als Vorsitzende des Wahlausschusses die Wahl nach bestem Wissen und Gewissen durchführt, ändert nichts an der Tatsache, dass für die Wahl der Mitarbeitervertretung ein zugängliches Regelwerk besteht, die Wahlordnung der EKD, nach dem Wahlen durchzuführen sind.
Genereller Maßstab der Nichtigkeit einer Wahl ist, dass eine Wahl durchgeführt wird, die nicht einmal mehr den Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl genügt.
In Hinblick auf die Situation des einstweiligen Rechtsschutzes ist von der restriktiven Annahme einer Nichtigkeit einer Wahl zu Mitarbeitervertretungen sorgsam Gebrauch zu machen.
Der Vorsitzende nimmt – zumindest im einstweiligen Rechtsschutz - nicht an, dass die Wahl nichtig sein wird. Die bloße Anfechtbarkeit reicht nicht aus. Zumindest wird eine Wahl durchgeführt, die ein Wahlvorstand angesetzt hat, zu der durch öffentliche Bekanntgabe aufgerufen wird, die zu einem festen Zeitpunkt stattfinden wird. Ob der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl gewahrt worden ist, bleibt dem sich ggfs. anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten, in welchem umfangreich alle Tatsachen zu ermitteln sein würden. Der Abbruch einer Wahl ist ein erheblicher Eingriff in die Abläufe der Betriebsdemokratie.
c. Auch in der Rechtsfolgenabwägung bleibt zu beachten, dass durch die gleichzeitige Wahl einer Mitarbeitervertretung in allen elf Einrichtungen, selbst für den Fall, dass festgestellt würde, dass in der Einrichtung N eine eigene Mitarbeitervertretung nicht gewählt werden konnte, ein mitarbeitervertretungsloser Zustand nicht eintreten würde.
Letztlich wären ggfs. alle Wahlen zu wiederholen oder Mitarbeitervertretungen neu zu wählen. Aber dieses mögliche Ergebnis verschiedener Wahlanfechtungsverfahren bliebe abzuwarten.
d. Aus vorliegenden Ausführungen ergibt sich, dass der zulässige Hilfsantrag ebenfalls nicht begründet ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf Vorstehendes verwiesen.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
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Tiemens (Vorsitzender Richter)